Zwei Schwarze Löcher umkreisen einander, ehe sie miteinander verschmelzen. Derartige kosmische Großereignisse erzeugen Gravitationswellen, die auch auf der Erde nachweisbar sind.
Illustr.: Nasa

Im September 2015 gelang Astrophysikern mithilfe von LIGO (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory), einem Doppel-Observatorium in Hanford (Washington) und in Livingston (Louisiana), zum ersten Mal die direkte Messung von Gravitationswellen. Die Wissenschafter Rainer Weiss, Barry Barish und Kip Thorne wurden für diesen bahnbrechenden Erfolg 2017 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.

Ausgelöst wird das Phänomen, das Albert Einstein bereits 1916 in der allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt hat, von einander umkreisenden und schließlich miteinander kollidierenden astronomischen Objekten. Damit Gravitationswellen einen nennenswerten und damit für irdische Technologie messbaren Effekt auf Materie ausüben, müssen freilich gewaltige Massen im Spiel sein, also außerordentlich kompakte Himmelskörper wie Schwarze Löcher oder Neutronensterne.

Sprung von 55 auf 90 Beobachtungen

In den sechs Jahren seit dem ersten Nachweis dieser Stauchung und Streckung der Raumzeit hat sich die Beobachtung von Gravitationswellen zu einem festen Bestandteil der Astronomie etabliert, die davor praktisch ausschließlich auf der Beobachtung von elektromagnetischer Strahlung basierte. Insgesamt 55 Gravitationswellen-Ereignisse konnten bislang beobachtet werden. Mehreren internationalen Kollaborationen ist es nun gelungen, diese Zahl auf 90 annähernd zu verdoppeln. Der entsprechende "Gravitational-Wave Transient Catalog 3" (GWTC-3) wurde nun veröffentlicht.

"Periodensystem" der bisher aufgezeichneten Gravitationswellen-Ereignisse.
Grafik: LIGO Laboratory

Die vorerst auf dem Preprintserver "ArXiv" präsentierten Studien fassen die zwischen November 2019 und März 2020 von der LIGO Scientific Collaboration, der Virgo Collaboration und der KAGRA Collaboration detektierten 35 neuen Nachweise von Gravitationswellen zusammen. Auch diese neuen Beobachtungen gehen auf gewaltige kosmische Ereignissen zurück: 32 von ihnen wurden wahrscheinlich von verschmelzenden Paaren Schwarzer Löcher verursacht, die verbleibenden drei Gravitationswellen-Ereignisse dürften von Kollisionen zwischen Neutronensternen und Schwarzen Löchern ausgelöst worden sein. Die meisten davon fanden in mehreren Milliarden Lichtjahren Entfernung statt.

Fülle an Raumzeiterschütterungen

Eines der federführenden Teams arbeitet an der Australian National University (ANU). Susan Scott vom ANU Center for Gravitational Astrophysics spricht von einem regelrechten Gravitationswellen-"Tsunami", den sie hier entdeckt hätten. Die Detektion dieser Fülle an Raumzeiterschütterungen sei ein bedeutender Schritt, um die Geheimnisse der Evolution des Universums zu lüften. "Diese Entdeckungen stellen eine zehnfache Zunahme der von LIGO und Virgo entdeckten Gravitationswellen dar, seit mit derartigen Beobachtung begonnen wurde", sagte Scott.

Video: Schwarze Löcher, die mithilfe von Gravitationswellen nachgewiesen wurden.
NorthwesternU

Das liegt unter anderem auch an der kontinuierlichen Verbesserung der Empfindlichkeit der Gravitationswellen-Detektoren. "Dies ist tatsächlich eine neue Ära für die Gravitationswellen-Forschung. Mithilfe der wachsenden Zahl von Beobachtungen gewinnen wir viele neue Informationen über das Leben und Sterben von Sternen im gesamten Universum."

Neue Erkenntnisse und neue Rätsel

Die Messungen über Massen und Spins der beteiligten Schwarzen Löcher müssen erst im Detail interpretiert werden, gewähren aber vermutlich einen Einblick in diese exotischen Doppelsysteme. Andererseits werfen sie zugleich neue Fragen auf.

"Entstanden die jeweiligen Systeme ursprünglich aus zwei Sternen, die gemeinsam ihre Lebenszyklen durchliefen und schließlich zu Schwarzen Löchern wurden?", fragt Scott. "Oder geschah die Kollision der Schwarzen Löcher in einer sehr dichten dynamischen Umgebung, etwa im Zentrum einer Galaxie?" Antworten darauf soll nun die Auswertung der Fülle an neu gewonnenen Daten liefern. (tberg, 14.11.2021)