Vor circa 50.000 Jahren wandert der moderne Mensch in Mitteleuropa ein und verdrängt den Neandertaler. Unsere Vorfahren lebten als Sammlerinnen und Sammler und Jägerinnen und Jäger. Der Speiseplan wurde durch die Jahreszeiten vorgegeben und hing sowohl von den wildbeuterischen Fähigkeiten der Menschen wie auch von deren Sammel- und Jagdglück ab.

Vor 7.500 kommt aus dem Süden und Südosten eine "neue Lebensweise" nach Europa. Die Menschen folgen nicht mehr den Tieren und suchen die Plätze mit reifen Früchten auf, sondern sie werden sesshaft und bauen große feste Häuser. Mit diesem Trend kommen die ersten Haustiere, Schaf und Ziege, und erste Getreidearten und Hülsenfrüchte zu uns, Viehzucht und der Ackerbau sichern nun die menschliche Ernährung. Mit dieser grundlegenden Umstellung bekommt die Haltbarmachung von Lebensmitteln für den Winter eine zentrale Bedeutung. Der Beginn der Salzproduktion in Europa und im Speziellen auch in Hallstatt wird damit in Verbindung gebracht. Der Beginn der Viehzucht geht auch mit dem regelmäßigen Genuss von Milch einher und von Anfang wird Milch nicht nur frisch getrunken, sondern auch weiterverarbeitet.

Blick in die Unesco-Welterberegion Hallstatt, Dachstein/Salzkammergut, mit dem geschichtsträchtigen Hallstätter Salzbergtal.
Foto: D. Brandner/NHM Wien

Der Weg der Milchverarbeitung

Die Rekonstruktion dieser frühen Milchverarbeitung ist schwierig und war bis vor Kurzem fast nur über Schriftquellen möglich. So sind etwa für das pharaonische Ägypten bisher nur wenige eindeutige Belege für Milchverarbeitung bekannt, obwohl Milch den Texten entsprechend regelmäßig in Form von Sauermilch getrunken wurde und Milch als Heilmittel und im Ritual eine bedeutende Rolle spielte. In Ägypten ist beispielsweise nicht einmal ein Wort für Käse überliefert.

Sumerische, akkadische und babylonische Texte spiegeln auf der anderen Seite wider, dass im Vorderen Orient Milch, Sauermilch, Butter, Ghee von Rind und Ziege und Käse in vielen unterschiedlichen Varianten und unterschiedlichen Größen mit stark unterschiedlichem Wert verzehrt wurden. Eine große Anzahl an Spezialkäsen, zum Beispiel mit Datteln, mit unterschiedlichen Gewürzen und mit Wein wird ebenfalls beschrieben.

Auch für Europa ist spätestens für die frühe Jungsteinzeit (um 5.000 v. Chr.) die Nutzung und Verarbeitung von Milch über neue biochemische Analyseverfahren nachgewiesen. Da aber in Mitteleuropa schriftliche Aufzeichnungen erst Jahrtausende später mit den Griechen und Römer einsetzen und nördlich der Alpen erst um Christi Geburt, sind bisher nur äußerst spärliche Informationen zur Milchverarbeitung vorhanden. So war bisher zum Beispiel vollkommen unbekannt, welche Käsearten produziert wurden.

Ernährungsgewohnheiten der Eisenzeit

Nun ist es dem Naturhistorischen Museum gemeinsam mit seinen Forschungspartnern vom Institut für Mumienforschung an der Eurac in Bozen gelungen, durch DNA- und Proteinanalysen an Exkrementen aus dem Hallstätter Salzberg Einblicke in Ernährungsgewohnheiten in Hallstatt vor 2.700 Jahren zu erhalten.

Perfekt konserviertes 2.700 Jahre altes menschliches Exkrement aus dem Hallstätter Salzberg.
Foto: A. Rausch/NHM Wien

Durch diese Analysen konnten der Konsum fermentierter Lebensmittel wie Käse und Bier und spezieller Fleischgerichte nachgewiesen werden.

Diese Untersuchungen liefern den weltweit ältesten molekularbiologische Nachweis von Blauschimmelkäse. Möglicherweise wurde der Blauschimmelkäse nicht in Italien oder Frankreich erfunden, sondern im Salzkammergut. Zumindest aber können wir sagen, dass er in Hallstatt sehr früh konsumiert wurde. Die Analysen zeigen auch, dass der Blauschimmel schon über etliche Generationen wiederverwendet wurde – also eine Art Käserei bestand, die sich auf die Erzeugung dieses Käses spezialisiert hatte. Und mit diesem Spezialkäse wurden die Hallstätter Bergleute beliefert.

Ob die regelmäßig im Hallstätter Salzberg gefundenen Spanschachteln die Transportverpackung des Käses waren, sollen weitere Analysen zeigen.

Eisenzeitliche Spanschachtel aus Eschenholz.
Foto: A. Rausch/NHM Wien

Spuren in den Exkrementen

Auch die in den Exkrementen gefundene Bierhefe zeigt eine lange Tradition an. Serienuntersuchungen an den Hallstätter Exkrementen werden zeigen, ob Bier vor 2.700 Jahren im Bergwerk ein Alltagsgetränk war, oder nur zu speziellen Anlässen getrunken wurde.

Proteinanalysen an den Exkrementen haben auch den Nachweis von Blutprotein vom Rind erbracht. Dies deutet auf den Verzehr von blutreichem Gewebe (zum Beispiel Leber) oder von bluthaltigen Speisen wie zum Beispiel Blutwurst an.

Kurz gefasst: Die Ernährungsgewohnheiten der Eisenzeit waren deutlich anspruchsvoller als gemeinhin angenommen. Da die Exkremente makroskopisch betrachtet alle sehr ähnlich aussehen, wurde bisher von einer eher eintönigen Ernährung ausgegangen.

Vor 2.700 Jahren wurde in bis zu 20 Meter hohen und 300 Meter langen Abbauräumen Salz mit dem Bronzepickel gebrochen. Es kann alters- und geschlechtsspezifische Arbeitsteilung rekonstruiert werden.
Foto: D. Gröbner, H. Reschreiter, D. Pany-Kucera/NHM Wien

Die Gemeinschaft der prähistorischen Bergleute war offensichtlich nicht nur hochspezialisiert, auch nachhaltige Forstwirtschaft kann nachgewiesen werden. Das Limit der Landschaft war schon vor über 3.000 Jahren bekannt und wurde bis heute respektiert. Die archäologischen Forschungen unter Tage erfolgen in enger Abstimmung mit den Bergleuten der Salinen Austria AG. Um diesen unsichtbaren untertägigen Teil des Unesco-Welterbes zu vermitteln, arbeiten das NHM Wien und die Salzwelten eng zusammen. (Kerstin Kowarik, Frank Maixner, Hans Reschreiter, 2.12.2021)