Sharon Stone bei einer Gala in Monaco 2021.

Foto: AFP/VALERY HACHE

In der Serie "Geradegerückt" betrachten wir Geschichten über weibliche Berühmtheiten genauer und fragen, welche Erzählungen sich über diese Frauen durchgesetzt haben – und was daran womöglich falsch ist.

Es ist oft nur ein einziges Bild, das ein ganzes Leben verändert. Das kann die US-Schauspielerin Sharon Stone mit Sicherheit bestätigen. Und Sie, liebe Leserin, lieber Leser, werden vermutlich sofort wissen, von welchem Bild die Rede ist: Die junge, Zigarette rauchende Sharon Stone sitzt in einem kurzen weißen Kleid beim Polizeiverhör, sie öffnet die übereinandergeschlagenen Beine, schlägt sie erneut übereinander und offenbart dabei für das freie Auge der Zusehenden zwar nicht allzu viel, aber jedenfalls, dass sie keine Unterwäsche trägt. Die beschriebene Szene stammt aus dem Erotikthriller "Basic Instinct" aus 1992. Stone verhalf die Rolle der bisexuellen Soziopathin Catherine Tramell zum großen Durchbruch und machte die damals 34-Jährige zu einem der bekanntesten Sexsymbole der Neunzigerjahre.

Eine legendäre Szene: Sharon Stone in "Basic Instinct".
Foto: imago/United Archives

Doch das war auch schon alles, was sie für die darauffolgenden Jahre bleiben sollte. Denn ihrem Image getreu wurde Stone danach fast ausschließlich als Femme fatale gecastet. Zwar wurde sie mehrfach ausgezeichnet, und die Rolle in Martin Scorseses "Casino" neben Robert De Niro brachte ihr sogar eine Oscarnominierung ein. Sie bekam allerdings auch eine Reihe von Goldenen Himbeeren und wurde von Filmkritiker*innen meist nicht ernst genommen. Bald war die Schauspielerin in Hollywood sogar als "Kassengift" verschrien, weil die meisten Filme, in denen sie die Hauptrolle übernahm, an den Kinokassen keine nennenswerten Umsätze einfuhren.

Langer Weg zurück

Anfang der 2000er-Jahre musste Stone schließlich eine längere Pause einlegen: Sie erlitt eine lebensbedrohliche Hirnblutung und konnte zwei Jahre lang nicht arbeiten. Mit einer langen Liste an Nebenrollen und Gastauftritten in Serien versuchte sie danach erneut Fuß zu fassen, den Weg zurück an die Spitze Hollywoods schaffte sie allerdings nicht mehr – für eine Frau jenseits der 40 damals wie heute auch fast unmöglich.

Was blieb, war die ikonische Szene aus "Basic Instinct", zu der die US-Amerikanerin jahrzehntelang in beinahe jedem Interview befragt wurde. Immer charmant und mit Witz versuchte Stone die teilweise sexistischen Fragen abzuwehren und begegnete auch den Witzen auf ihre Kosten mit Selbstironie. So spielte sie bei einem Gastauftritt in der Stand-up-Comedy-Show "Saturday Night Live" die Verhörszene vor Publikum nach oder antwortete in Late-Night-Shows mit schlagfertigen Gegenfragen.

Täuschung am Filmset

Einen echten Einblick darüber, wie sie die berüchtigte Filmszene empfunden hatte, gab sie erst in ihrer 2021 erschienenen Autobiografie "The Beauty of Living Twice". Demnach soll Regisseur Paul Verhoeven sie gebeten haben, ihre Unterwäsche auszuziehen, weil man das Weiß des Stoffes sonst im Film hätte hervorblitzen sehen. Er versicherte gleichzeitig, dass man sonst nichts sehen würde. Dass dem nicht so war, erfuhr Stone erst bei der Vorführung des fertigen Films.

Nicht nur deshalb antwortete die Schauspielerin wohl in einem Fernsehinterview auf die Frage, ob sie jemals #MeToo-Erfahrungen gemacht habe, mit schallendem Gelächter. Dem verdutzten Interviewer erklärte sie dann, sie sei als junge Frau aus dem ländlichen Pennsylvania ohne jeglichen Schutz in die Branche eingestiegen, und überließ es seiner Fantasie, wie es ihr wohl damals in einer Branche ging, noch Jahrzehnte bevor Sexismus überhaupt in der Öffentlichkeit diskutiert worden war.

Von der Witz- zur Respektfigur

Dass sich die öffentliche Meinung über sie schließlich doch drehte, merkte Stone erst jüngst, wie sie in ihren Memoiren beschreibt. In den vergangenen Jahren habe sie erkannt, dass Zuseher*innen "Basic Instinct" heute als ernsthaften Film respektieren würden. Auch sie selbst wollte sich nicht auf einen Ausschnitt reduzieren und zog Selbstbewusstsein daraus, dass sie eine überzeugende Serienkillerin spielte – so überzeugend, dass die Öffentlichkeit ein größeres Problem mit einer expliziten Nacktszene hatte.

Das Übereinanderschlagen der Beine definierte Stone zu ihrem persönlichen "Power-Move" um. 2019 wurde sie vom deutschen Männermagazin "GQ" als "Woman of the Year" ausgezeichnet. Gewürdigt wurden nicht nur ihre langjährige Schauspielkarriere, sondern auch ihr humanitäres Engagement für HIV-Infizierte.

Bei ihrer Dankesrede in Berlin ließ sich die heute 63-Jährige einen Stuhl auf die Bühne bringen, setzte sich in einem kurzen schwarzen Kleid darauf und forderte die Menge auf, es ihr gleichzutun und die Beine übereinanderzuschlagen – also den Moment mit ihr zu teilen, der ihr Leben verändert habe. Auch alle Anwesenden würden früher oder späten diesen einen Moment erleben und müssten dann dafür geradestehen, erklärte die Schauspielerin. Sie habe ihren Moment respektiert und sich ihre Würde hart zurückerarbeitet, nachdem sie nur das getan habe – die Beine übereinanderschlagen. Und dennoch, fügte sie hinzu, habe es eine Zeit gegeben, in der sie nicht mehr gewesen sei als ein Witz. (Davina Brunnbauer, 4.2.2022)