Die Zeiten negativ verzinster Staatsschulden sind für Finanzminister Magnus Brunner, im Bild mit Börsenchef Christoph Boschan, wahrscheinlich bald vorbei.

Schulden machen und dabei Geld verdienen – dank der extrem expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) war dies für Österreichs Staatsfinanzen bei Laufzeiten bis zehn Jahre gelebte Realität. Doch nun naht die Sperrstunde im Schlaraffenland aller Finanzminister: Seit EZB-Chefin Christine Lagarde in der Vorwoche eine Zinserhöhung im laufenden Jahr nicht mehr ausgeschlossen hat, schießen die Zinsspekulationen an den Finanzmärkten geradezu ins Kraut – und treiben die Renditen von Staatsanleihen auf deutlich höhere Niveaus.

Erstmals seit Februar 2019 sprang die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen zuletzt über die Marke von 0,5 Prozent pro Jahr, nachdem sie während der vergangenen beiden Corona-Jahre zeitweise unter minus 0,4 Prozent gerutscht war. Negative Renditen gibt es nur noch bei kurzfristigen Schuldpapieren bis zu drei Jahren Laufzeit. Das bedeutet, dass die Aufnahme neuer Schulden generell etwas teuerer wird. Heuer muss sich Österreich zu den gestiegenen Zinsniveaus laut der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur (Oebfa) ein Volumen von 60 bis 65 Milliarden Euro vom Kapitalmarkt holen.

100-jährige Anleihen

Insgesamt belaufen sich die Finanzschulden der Republik derzeit auf 253 Milliarden Euro. Während der Tiefzinsperiode der vergangenen Jahre hat Österreich auf lange Laufzeiten gesetzt, um sich das günstige Zinsniveau auf Dauer zu sichern. Im Jahr 2017 sorgte die Republik etwa für Aufsehen, als sie als erstes Land der Eurozone eine 100-jährige Anleihe mit einem Zinskupon von 2,1 Prozent begab. Im Jahr 2020 ließ sie eine weitere folgen mit einem Kupon von nur noch 0,85 Prozent.

Die effektive Verzinsung der Finanzschulden beträgt laut Oebfa derzeit 1,17 Prozent bei einer durchschnittlichen Restlaufzeit von 10,6 Jahren. Das bedeutet, dass die gestiegene Verzinsung vorerst nur für jenen Teil der Gesamtschulden schlagend wird, der refinanziert werden muss.

Weiterer Anstieg

Allerdings ist mit einer weiteren Aufwärtsbewegung der Renditen zu rechnen – zumal die EZB ihre Anleihenkaufprogramme im Jahresverlauf zunächst drosseln und dann, als Voraussetzung für Zinsanhebungen, auslaufen lassen wird. Das bedeutet, dass die künstliche Nachfrage der Notenbank nach Staatsanleihen der Eurozone bald wegfallen wird und deren Verzinsung bald wieder dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen wird.

Der Anstieg der Rendite für Österreich ist kein Einzelfall. Bei deutschen Bundesanleihen erreichte sie mit 0,25 Prozent den höchsten Stand seit drei Jahren. Thomas Steinberger, Geschäftsführer der Fondsgesellschaft Iqam Invest, erwartet, dass sich die Tendenz bis Jahresende wahrscheinlich fortsetzen wird: "0,5 bis ein Prozent Rendite auf zehnjährige deutsche Staatsanleihen sind dann sicher möglich." (aha, 9.2.2022)