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Die RBI will an ihrem Engagement in Russland festhalten.

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger/File Photo

Die Sorge um ihre Töchter in der Ukraine und in Russland war Johann Strobl, Chef der Raiffeisen Bank International (RBI), und Risk-Manager Hannes Mösenbacher am Dienstagabend nicht anzuhören, als sie über die Lage der Banken in den beiden Ländern berichtet haben.

Die Lage sei freilich sehr angespannt, räumten sie in einem Conference Call für Investoren ein. Man versuche in beiden Ländern, zumindest das Basisgeschäft am Laufen zu halten – also Abhebungen und Einzahlungen sicherzustellen. Vor allem in der Ukraine ist der Nachschub von Bargeld aber kein leichtes Unterfangen, weil sich die Angriffslinien laufend ändern, gab Strobl einen Einblick in den aktuellen Bankalltag. Noch könne man die Bankgeschäfte in der Ukraine aber aufrecht halten.

Basisbetrieb sicherstellen

In Russland sei die Lage anders, dort gehe es mehr darum, laufende Sanktionen und deren Folgen zu implementieren. Die Zeit für Neugeschäfte sei laut Strobl derzeit definitiv nicht. Auch in Russland gehe es darum, den Basisbetrieb sicherzustellen. Mehrmals betonte RBI-Chef Strobl, dass man sich weder aus der Ukraine noch aus Russland zurückziehen werde.

Die Russland-Tochter stehe gut da, sei gut kapitalisiert und eine anerkannte russische Bank. Wenige Stunden davor hatte sich die Agenturnachricht verbreitet, dass die RBI einen Rückzug aus Russland prüfe. Die börsennotierte RBI, die zu fast 59 Prozent den Raiffeisen-Landesbanken gehört, macht rund 40 Prozent ihres Jahresgewinns in Russland und in der Ukraine, die beiden Länder sind also ihre Cashcows.

Auch in der "ZiB 2" des ORF beteuerte Strobl am Dienstagabend, es gebe keine Pläne für einen Rückzug aus Russland.

Optionen werden geprüft, keine Dividende für 2021

Dass sich die RBI ob des Krieges von heute auf morgen aus Russland zurückzieht, erwarten Experten nicht – klar ist aber, dass das Institut alle Alternativen prüft und alle Eventualitäten durchrechnet. Zurückgehalten wird aber die für 2021 angedachte Dividende von 1,15 Euro je Aktie. Statt der Ausschüttung wird die RBI den gesamten Bilanzgewinn von rund 380 Millionen Euro auf neue Rechnung vortragen.

Fakt ist, dass die RBI auch ohne Russland-Geschäft gut weiterarbeiten könnte, insgesamt ist die Bank in 13 Ländern in Zentral- und Osteuropa tätig. Und sie verfügt über genügend Liquidität und Eigenkapital. Die Mutter RBI hatte zuletzt 2,4 Milliarden Euro an Eigenkapital in der Russland-Tochter stecken. Früher war dieses sogenannte Funding sehr viel höher: Österreichische Banken hatten ihre Osteuropatöchter von Wien aus mit Milliarden an Kapital ausgestattet, was nach der Finanzkrise 2008 allerdings aufgehört hat.

Enger Kontakt mit Aufsicht

Sollte sich die RBI von ihrer Tochter in Moskau trennen – als potenzieller Interessent wird immer wieder die private russische Alfa Bank von Michail Fridman und Pjotr Awen genannt –, wäre sie ein Kreditrisiko im Volumen von rund 11,6 Milliarden Euro los. Rund 2,2 Milliarden Euro an Krediten hat die RBI in der Ukraine offen. Im Gegenzug müsste sie den Aufsehern aber ein taugliches neues Geschäftsmodell präsentieren. Aber sogar wenn sie einen Käufer findet, würde die RBI im aktuellen Krisenfall wohl nur einen schlechten Preis für ihr Institut in Russland bekommen können, sagt ein Banker, der viele Jahre in Osteuropa in hoher Position tätig war, aber nicht namentlich genannt werden will.

Mit der Aufsicht hat die RBI derzeit sehr viel zu tun, sie wird besonders genau überwacht. Bestimmte Kennzahlen wie beispielsweise den aktuellen Stand der Liquidität muss sie täglich melden, über Oesterreichische Nationalbank und FMA gehen die Meldungen an die Aufseher in der Europäischen Zentralbank (EZB), unter deren direkter Aufsicht die RBI steht. In der Vorjahresbilanz hat die RBI schon etwas für – nun bereits verhängte – Sanktionen vorgesorgt, und zwar 115 Millionen Euro.

FMA dreht Sberbank Europe zu

Am späten Dienstagabend hat sich auch das Schicksal der Sberbank Europe AG mit Sitz in Wien entschieden. Das Moratorium, das die FMA über das Institut, dessen Muttergesellschaft mehrheitlich der Russischen Föderation gehört, verhängt hatte, lief noch bis 1. März, eine Minute vor Mitternacht. Kurz vor 23 Uhr teilte die Aufsichtsbehörde mit, dass das Institut einen Regierungskommissär vorgesetzt bekommt und keine Geschäfte mehr machen darf. Auf Anweisung der Europäischen Zentralbank (EZB) habe die FMA dem Institut per Bescheid die Fortführung des Geschäftsbetriebes mit sofortiger Wirkung zur Gänze untersagt. Als Regierungskommissär wurde der Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwalt Gerd Konezny bestellt, er wird laut Aussendung der FMA insbesondere zu berichten haben, "ob und gegebenenfalls wann ein Insolvenztatbestand erfüllt" sei.

Der Europäische Abwicklungsmechanismus (der für derlei Entscheidungen zuständig ist und in dessen Auftrag die FMA tätig wurde) hatte bis zuletzt geprüft, ob die Sberbank Europe und ihre Töchter in Kroatien und Slowenien gemäß den europäischen Richtlinien für Bankenabwicklung und -sanierung abgewickelt werden sollen, weil dies im öffentlichen Interesse ist. Diese Frage wurde am Abend verneint, woraufhin die EZB die FMA angewiesen hat, der Bank die Fortführung des Geschäftsbetriebs zu untersagen.

Bankenexperten rechnen damit, dass das Institut in Richtung Insolvenz geschickt werden wird. Zuvor hatte bereits die tschechische Aufsicht bekanntgegeben, dass die tschechische Sberbank-Tochter in Insolvenz gehen wird, die serbische Tochterbank wird dagegen verkauft. Ein Käufer für die Sberbank Europe, die kein Retailgeschäft betreibt, war zuletzt nicht in Sicht.

Alle zahlen mit

Über die Online-Schiene Sberbank Direkt hat die Bank Einlagen in der Höhe von 1,1 Milliarden Euro eingesammelt, und zwar auf dem deutschen Markt. Für sie haften im Insolvenzfall die österreichischen Banken über ihre Einlagensicherungssysteme.

Gemäß jüngster Bilanz hatte die Bank auch rund eine Milliarde Euro an Einlagen von anderen Banken in ihren Büchern, davon könnte rund die Hälfte von österreichischen Instituten stammen. Der Grund dafür: Die Sberbank Europe hatte den Banken zuletzt bessere Konditionen geboten als die Notenbank (sie verrechnet 0,5 Prozent Negativzinsen) und andere Institute. Ob und wie viel von diesem Geld noch vor dem Moratorium abgezogen wurde, ist nicht bekannt. Sonntagnacht hatten ja die Aufseher von der EZB bekannt gegeben, dass die Sberbank Europe und ihre Töchter wegen der "geopolitischen Lage" und massiver Liquiditätsabflüsse wahrscheinlich ausfallen dürfte. (Renate Graber, Bettina Pfluger 1.3.2022)