Ohne Micha und Martin hätte ich diesen verwunschenen Flecken an der slowenisch-kroatischen Grenze nie gefunden. Die beiden jungen Männer sind als Guides und Forstmitarbeiter tätig, mit ihrem Jeep brechen wir von der Kleinstadt Kočevje aus – in der tatsächlich der Bär los ist. Rund um den Ort gibt es die höchste Dichte an Braunbären in ganz Europa, dank der Urwälder wie dem Krokar, einem 75 Hektar großen Schutzgebiet für Pflanzen und Tiere.

Im Urwald Krokar sind nur wenige Arten heimisch: Buchen etwa.
Foto: Zavod Koèevsko / Marjan Artnak

Wir fahren über eine serpentinenreiche Strecke ins Gebirge, manchmal schimmert das tiefergelegene Plateau hervor: ein grüner Teppich mit sanften Wellen und steil aufsteigenden Karstfelsen. Der Blick auf die Landschaft verrät, warum diese Region bisher keiner menschlichen Nutzung unterlag. Karst saugt jegliches Wasser auf, der Untergrund ist felsig, die Böden sind wenig fruchtbar, Bauern bleiben also fern. Hinzu kommt noch eine historische Besonderheit. Zu jugoslawischen Zeiten befand sich auf dem Territorium ein militärisches Sperrgebiet, die Natur gedieh.

Seit Jahren bemüht sich Slowenien, den Wald so weit wie möglich ursprünglich zu halten.
Foto: Zavod Koèevsko / Marjan Artnak

Nach etwa 30 Kilometern erreichen wir den Urwald von Krokar, den die beiden Männer "Virgin Forest" nennen. Wir steigen aus dem Auto, suchen den Wanderweg. Seit Jahren bemüht sich Slowenien, den Wald so weit wie möglich ursprünglich zu halten. Hier oben, auf 1.192 Metern Höhe, wachsen höchstens sieben verschiedene Laubbaumsorten, Überreste eines uralten Buchenwaldes, der selbst die Eiszeit überstanden hat.

Kein anderer Mensch

Touristen dürfen auf einem ausgewiesenen Naturlehrpfad durchs Dickicht wandern. An diesem Tag ist kein anderer Mensch unterwegs, zu abgelegen scheint die Gegend, zu unzugänglich der Forst. Ein irrer Duft von frischem Wald – diese Mischung aus Pilz-, Laub- und Tiergerüchen. Es geht über Moose, Gestein und eingetretene Erde. Am Ende wartet die Aussicht von der Bergkuppe: grüne Wälder bis zum Horizont.

Braunbären wurden keine gesichtet.
Foto: Zavod Koèevsko / Marjan Artnak

Hier müssen die Bären leben, man sieht sie tagsüber meist nicht, die scheuen Raubtiere nehmen sich vor Menschen in acht. Einsam auf dem Gipfel fühlt man sich, als sei man nach einer Reise zu sich selbst angekommen. So beruhigend wirkt die Natur. Einatmen, ausatmen – und bitte ausnahmsweise kein Selfie machen. (Ulf Lippitz, 22.8.2022)

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