Bei Barockgärten denkt die Wienerin an Schloss Schönbrunn und an Versailles als Maß alle Dinge. Und dann das: In einem Vorort des mährischen Städtchens Kroměříž (Kremsier), zehn Minuten zu Fuß vom Zentrum, befindet sich ein ab 1670 angelegter Garten, der außergewöhnlich ist, was Größe und Schönheit betrifft. "Zehn Jahre und keine Kosten wurden gescheut" heißt es dort ironisch auf einer lateinischen Inschrift.

Der "Blumengarten" (Kvìtná zahrada) war zuerst nur ein Küchengarten und noch heute gibt es einen Kräutergarten, in dem es vor Bienen und Schmetterlingen wimmelt. Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wuchs sich die Anlage zu einem barocken Park aus, der kontemplativen Charakter hatte. Die Bischöfe und Erzbischöfe von Olomouc (Olmütz), denen das alles gehörte, verbrachten hier ihre Sommer. Sie holten sich die besten Landschaftsgestalter ihrer Zeit, damit sich die nach Lust und jeweiliger gärtnerischer Mode austoben konnten. Geld spielte keine Rolle. 1998 wurde die Anlage – zusammen mit dem Schloss und dem Schlossgarten von Kroměříž – auf die Liste des Unesco-Weltkulturerbes gesetzt.
Hecken und ein Labyrinth
Im Blumengarten lustwandelt man auf diagonal angelegten Wegen mit Sicht auf die Rotunde und spaziert entlang von streng getrimmten Hecken. Man besucht ein Labyrinth, kommt bei Teichen vorbei und geht durch Alleen, die im Laufe der Zeit zu schattigen Tunneln zusammenwuchsen.

Nur wenige Touristen kommen hierher – im Vergleich zu den Massen in Schönbrunn jedenfalls. Es ist still, man hört die Vögel zwitschern und manchmal fernen Autolärm. Die ornamenthaften Beete sind gepflegt, in der langen Kolonnade stehen vierundvierzig antike Statuen und beobachten die flanierenden Besucher. Welch staatstragenden Aufwand der Klerus von Olomouc betreiben konnte!
Dies ist auch ein eminent historischer Ort, besonders für die österreichische Geschichte. Dieses kleine mährische Städtchen, keine 200 Kilometer nördlich von Wien gelegen, war der Rückzugsort der Habsburger, als 1848 die Revolution fast erfolgreich war und sich die kaiserliche Familie samt Hofstaat für ein paar Monate aus Wien weg und in Sicherheit bringen musste. (Johanna Ruzicka, 3.9.2022)
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