Die Chromosphäre ist die Schicht der Sonne direkt über der Oberfläche. Der dargestellte Bereich zeigt eine Fläche mit einer Seitenlänge von 82.500 Kilometern, mit einer Auflösung von 18 Kilometern pro Pixel.
Foto: NSO/AURA/NSF

Die Hawaiianischen Inseln gelten als einer der besten Orte für die Errichtung von Teleskopen auf der Erde. Allein auf dem Mauna Kea, einem 4.200 Meter hohen Vulkan, gibt es zwölf große Teleskope mit Spiegeldurchmessern von bis zu 25 Metern. Die dünne, trockene Luft und das Fehlen von Streulicht auf den dünn besiedelten, mitten im Pazifik gelegenen Inseln sorgen für beste Bedingungen für erdgebundene Teleskope.

Doch bereits in den 60er-Jahren, als die erste Anlage errichtet wurde, gab es Widerstand. Die Vulkane gelten der Hawaiianischen Urbevölkerung als heilig. Genutzt hat es nichts, wie die vielen weißen Kuppeln in der kargen Gipfelregion des Vulkans beweisen.

Indigene Gruppen wollten das Projekt verhindern. Der Fall ging bis vor das oberste Gericht Hawaiis.
Foto: National Solar Observatory (NSO), AURA, NSF

Ursprünglich konzentrierte man sich beim Bau der Teleskope auf den Mauna Kea und ließ den benachbarten, nur knapp 40 Meter niedrigeren und nach wie vor aktiven Vulkan Mauna Loa unbehelligt. Seit 2006 gibt es aber auch dort ein Teleskop zur Beobachtung der kosmischen Hintergrundstrahlung.

Menschen warfen sich vor Trucks

Umso größer war der Widerstand, als auf dem Vulkan Haleakala auf der Insel Maui, einem weiteren heiligen Vulkan, das größte Sonnenteleskop der Welt errichtet werden sollte. Zehn Jahre kämpften indigene Gruppen und Umweltschutzvereinigungen gegen das 344 Millionen Dollar teure Projekt, bevor 2012 mit dem Bau begonnen wurde. Erst 2016 bestätigte das oberste Gericht von Hawaii die Baugenehmigung. Doch auch danach versuchten Protestierende, die traditionelle hawaiianische Gesänge skandierten, den Lkw-Konvoi mit den vier Meter durchmessenden Spiegeln für das Teleskop aufzuhalten. Ein Aufgebot von 40 Polizeibeamten sicherte die Weiterfahrt, während sich immer wieder Menschen vor die Reifen der Trucks warfen.

Nun hat das umstrittene Teleskop, das ein Projekt der US-amerikanischen National Science Foundation NSF ist, seine Arbeit aufgenommen und beweist eindrucksvoll seine Leistungsfähigkeit. Erste Bilder zeigen die Chromosphäre, eine Schicht zwischen der Sonnenoberfläche und der Corona, die nur mithilfe von Filtern beobachtet werden kann.

Ein weiteres Bild der Chromosphäre, mit vergleichbarer Auflösung aufgenommen wie das erste Bild, aber mit anderen Filtern.
Foto: National Solar Observatory (NSO), AURA, NSF

Der Leiter der NSF, Sethuraman Panchanathan, betont den Wert des neuen Teleskops für die Untersuchung von Sonnenstürmen, die eine Gefahr für die irdische Stromversorgung darstellen können. Auch in Österreich gibt es Forschungen dazu, erst kürzlich gewann eine Grazer Gruppe dafür einen ERC-Starting-Grant der Europäischen Kommission. Das Inouye-Teleskop soll nun eine neue Ära der Sonnenbeobachtung einläuten.

Ergänzung für Weltraumteleskope

Das neue, weltgrößte erdgebundene Teleskop für Sonnenbeobachtung ergänzt eine ganze Reihe von Weltraumteleskopen zur Untersuchung der Sonne, etwa das Solar and Heliospheric Observatory, kurz SOHO, und die 2020 gestartete Sonde Solar Orbiter.

Die Einweihung des Teleskops, das nach dem 2012 verstorbenen Senator des Bundesstaates Hawaii Daniel Ken Inouye benannt ist, erfolgte übrigens am 31. August 2022 in Anwesenheit von Vertretern der hawaiianischen Urbevölkerung. Die kulturelle und spirituelle Bedeutung des Berges für indigene Gemeinden wird von der NSF betont. Man versichert, dass die Nutzung dieser wichtigen Stätte zur Förderung wissenschaftlicher Erkenntnisse mit Wertschätzung und Respekt erfolgt. Ein Vertreter der Urbevölkerung, Hōkūlani Holt vom Maui College der Universität Hawaii, sprach ein Gebet nach alter hawaiianischer Tradition.

Teile der Kamera des Teleskops waren bei der Einweihung ausgestellt und durften mit Reinraumbekleidung besichtigt werden.
Foto: National Solar Observatory (NSO), AURA, NSF

Hawaii ist ein pluralistischer Bundesstaat, faktisch ohne ethnische Mehrheit: Die Bevölkerung besteht aus verschieden großen Gruppen asiatischer, europäischer, lateinamerikanischer, afroamerikanischer und indigener Abstammung. Ursprünglich betrug die Anzahl der Indigenen laut Schätzungen bis zu 800.000 Personen, doch ein Großteil verstarb bei Ankunft der europäischen Entdecker durch eingeschleppte Krankheiten. Heute gelten etwa zehn Prozent der 1,4 Millionen zählenden Bevölkerung als indigen. (Reinhard Kleindl, 11.9.2022)