Thomas Schmid vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA): Mit Wissen und im Auftrag von Sebastian Kurz hätten er oder Vertraute von Kurz Einfluss auf Umfrageergebnisse genommen, die Österreich-Medien publizierten; im Gegenzug habe es Inseratenbuchungen insbesondere des Finanzministeriums gegeben.

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Wien – Thomas Schmid hat vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sehr ausführlich zum sogenannten "Beinschab-Österreich-Tool" Stellung genommen und zum Verhältnis mit der Mediengruppe Österreich und ihren Betreibern Wolfgang und Helmuth Fellner. Mit Wissen und im Auftrag von Sebastian Kurz hätten er oder Vertraute von Kurz Einfluss auf Umfrageergebnisse genommen, die Österreich-Medien publizierten; im Gegenzug habe es Inseratenbuchungen insbesondere des Finanzministeriums gegeben.

"Gab keine Finanzierung durch Inserate"

Die Mediengruppe Österreich weist das – "auch im Namen von Wolfgang und Helmuth Fellner" – in einer Stellungnahme zu Schmids Aussagen am Mittwoch sehr nachdrücklich zurück: "Es gab keine Finanzierung von Beinschab-Umfragen in 'Österreich' durch Inserate des Finanzministeriums."

Thomas Schmid war Generalsekretär im Finanzministerium, später Vorstand der Bundesbeteiligungsholding Öbag; er strebt nun einen Kronzeugenstatus in den Ermittlungen an und hat 15 Tage bei der WKStA ausgesagt.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft geht zudem in ihren Ermittlungen davon aus, dass Helmuth Fellner versucht habe, Schmid als Öbag-Chef dazu zu bringen, Bundesbeteiligungen zum Inserieren in Österreich-Medien zu bewegen.

"Völlig unabhängig von etwaigen Inseratenbuchungen"

Darauf geht die Stellungnahme der Mediengruppe im Namen der beiden Fellners nicht ein, auch STANDARD-Anfragen an Wolfgang und Helmuth Fellner sowie ihren Anwalt dazu wurden bisher nicht beantwortet.

Allgemein heißt es in der Stellungnahme: "Die Mediengruppe Österreich hält zudem ausdrücklich fest, dass es definitiv keinerlei Zusammenhang zwischen der redaktionellen Berichterstattung und Inseraten-Schaltungen gibt und auch in der Vergangenheit nie gegeben hat. Redaktion und Anzeigen-Verkauf sind bei der Mediengruppe Österreich – wie bei Medien üblich – sowohl inhaltlich, personell als auch räumlich strikt voneinander getrennt. Selbstverständlich werden die redaktionellen Inhalte der Mediengruppe Österreich völlig unabhängig von etwaigen Inseraten-Buchungen verfasst."

Inseratenwünsche an den Öbag-Chef

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft schildert ein Treffen von Helmuth Fellner und Thomas Schmid (unter Berufung auf dessen Aussagen) in der Öbag im Sommer 2019. Fellner habe Daten über Werbebuchungen der Öbag vorgelegt und moniert, dass "Österreich" nur sehr wenig davon profitiere, insbesondere bei den Beteiligungen Post und OMV. Fellner habe Schmid vermittelt, dass er hier – wie Wolfgang Fellner – von ihm Unterstützung erwarte, um höhere Budgets zu lukrieren. "Österreich" habe deshalb das Projekt einer zentralen Beteiligungsholding unterstützt, da man die Inseratenvergabe für die verwalteten Unternehmen zentral steuern könne; dafür solle ein Generalsekretär eingerichtet werden. Fürs Erste solle Schmid Inserate in Höhe von 100.000 Euro in "Österreich" veranlassen.

Andernfalls, also wenn nicht gebucht würde, so habe Fellner gedroht, würde Schmid jegliche Unterstützung, vor allem in Form wohlwollender Berichterstattung entzogen. Schmid sei nicht auf die Forderung eingegangen, es seien keine Inserate geschaltet worden.

Schmid sagte dazu etwa aus: "Als ich Öbag-Vorstand wurde, sind Wolfgang und Helmuth Fellner an mich herangetreten, es gab sogar einen Termin im Unternehmen der Fellners. (...) Beide Fellners äußerten mir gegenüber, dass ich ja jetzt in einer Position sei (Öbag-Vorstand), in der ich Zugriff auf alle Unternehmen mit staatlicher Beteiligung hätte. Wolfgang Fellner formulierte dann, ich könne ja über eine in der Öbag zu installierende Art Generalsekretär Zugriff auf alle Unternehmen mit Staatsbeteiligung nehmen und diesen anschaffen, für welche Kampagnen in welcher Höhe in der Mediengruppe Österreich Inserate geschalten werden sollen. Das wurde nicht umgesetzt."

Die Idee des "Beinschab-Österreich-Tools"

Schmid erklärt gegenüber der WKStA sehr ausführlich und deutlich, was die Idee, das Ziel und das Modell des Umfrage-Tools mit "Österreich" ab 2016 nach seiner Wahrnehmung waren.

Research Affairs von Marktforscherin Sabine Beinschab übernahm Meinungsumfragen für "Österreich", insbesondere Sonntagsfragen zum potenziellen Wahlverhalten. Zu diesen Sonntagsfragen kamen weitere Fragen zu Themen, die Sebastian Kurz und seinen Mitstreitern in der ÖVP wesentlich waren, zunächst, um die ÖVP-Obmannschaft zu übernehmen. Ergebnisse wurden passend, nach Schmids Aussage innerhalb der Schwankungsbreite, "frisiert". "Österreich" habe die Umfragen bezahlt. Im Gegenzug habe es aber Werbebuchungen insbesondere des Finanzministeriums gegeben, wo Schmid Generalsekretär war.

"Umfragen und dafür Zugang zum Finanzministerium"

Schmid erklärt: "Zum System allgemein möchte ich aber noch einmal sagen, dass mit 'Österreich' ausgemacht war, dass sie Umfragen machen und dafür den Zugang zum Finanzministerium bekommen. Der Zugang zum Finanzministerium bedeutet Geld über Inserate."

Vorbild für diese Inseratenkooperation sei eine frühere Umfrage-Zusammenarbeit der SPÖ mit dem Gallup-Institut und Sophie Karmasin gewesen. Kurz habe ihm, Schmid, "dann den Auftrag gegeben, ein solches ,Tool', wie es die SPÖ gehabt hatte, aufzubauen". Es sei Kurz klar gewesen, dass dieses "Tool" über das Finanzministerium finanziert würde.

Schmid: "Mir ist ganz wichtig zu betonen, dass ich dieses Tool nur deswegen umgesetzt habe, weil ich von Kurz den Auftrag bekommen habe." Kurz hat Schmids Aussagen zurückgewiesen.

"Dass wir die Themen mit Beinschab absprechen konnten"

Über die Konstruktion zum Start 2016 sagt er: "Zu diesem Zeitpunkt war es so, dass die Finanzierung so ausschauen sollte: Die Fellner-Gruppe zahlt Beinschab die Sonntagsumfrage und auch die Zusatzfragen im Rahmen dieses Vertrages. Klar war aber, weil es wie von mir geschildert ja darum gegangen ist, dass wir die Themen zu diesen Zusatzfragen mit Beinschab absprechen konnten, dass dafür vom BMF (Bundesministerium für Finanzen, Anm.) Inserate geschaltet werden. Den Fellners ging es darum, dass sie aufgrund dieser Kooperation Zugang zum Finanzministerium hatten und das Finanzministerium Sonderbeilagen und Inserate insgesamt in Auftrag gab."

Und Schmid sagt wörtlich: "Bei diesen Aufträgen gab es immer eine Gegenleistung des BMF, nämlich die Inserate oder eben auch die Beilagen."

"Inserate zu schalten"

Er habe dem zuständigen Kollegen im Finanzministerium erklärt, "dass bei Fellners von nun an Inserate zu schalten sind", "dass es einen Zugang zur Österreich-Gruppe und zur Zeitung ,Österreich' gibt , dass eine gute Zusammenarbeit besteht, dass vonseiten Österreich ein ,Goodwill' erreicht wird und deshalb in Inseratenverhandlungen einzutreten ist".

Er berichtet zudem vom Verhältnis zu den Fellners: "Es war so, dass Fellner mit fixfertigen Angeboten und Vorschlägen, was inseriert werden könnte, an uns herangetreten ist. Das habe ich gemeint, als ich vorher gesagt habe, dass Helmuth Fellner die Produkte von der Österreich-Gruppe an die Ministerien herangetragen hat."

Fellner-Gruppe: "Nebenabsprachen mit ÖVP nicht bekannt"

Die Mediengruppe Österreich erklärt zu Schmids Aussagen über das "Tool":

"Entgegen den Aussagen von Thomas Schmid waren weder Thomas Schmid noch andere Mitarbeiter aus dem Büro Kurz in die Vertragsverhandlungen zu den 'Österreich'-Politbarometer- und Sonntagsumfragen jemals persönlich involviert."

"Wolfgang Fellner war nicht bekannt, dass es, wie es sich jetzt darzustellen scheint, neben den Verhandlungen mit ihm auch Verhandlungen und Nebenabsprachen der Frau Beinschab mit Thomas Schmid und/oder Vertretern der ÖVP gab."

"Es ist richtig, dass sich die Mediengruppe Österreich und auch Helmuth Fellner bemüht haben, eine seit 2014 bestehende Inseratensperre des Finanzministeriums gegen 'Österreich' aufzuheben. Diese Inseratensperre fiel bereits mit Jahresbeginn 2016 weg, sodass ab dem Jahr 2016 in 'Österreich' vom Finanzministerium proportional annähernd gleich viele Inserate geschaltet wurden wie in allen anderen Medien auch, wie Thomas Schmid mehrfach ausführt. Ein Zusammenhang zwischen dem Ende dieser Inseratensperre und den Politik- und Sonntagsumfragen von Frau Beinschab kann schon deshalb nicht bestehen, weil diese Politik-Umfragen in 'Österreich' noch bis zum Ende des Jahres 2016 vom Gallup-Institut durchgeführt wurden und erst mit Jahresbeginn 2017 zum neu gegründeten Beinschab-Institut wechselten."

"Nicht die einzige Möglichkeit"

Thomas Schmid erklärt bei der WKStA zu Inseratenbuchungen auch, "dass Inserate nicht die einzige Möglichkeit sind, um ein Medium zu finanzieren. Etwa als Beispiel möchte ich anführen, dass z. B. die Wissenschaftsbeilage im Standard von unterschiedlichen öffentlichen Stellen auch mitfinanziert wird".

  • Dazu hält DER STANDARD fest: Die STANDARD-Wissenschaftsbeilage "Forschung Spezial" ist eine entgeltliche Medienkooperation mit österreichischen Forschungsinstitutionen (aktuell rund hundert) und öffentlichen Stellen. Im Rahmen der Kooperation wird über relevante Themen aus Wissenschaft und Forschung berichtet. Die redaktionelle Verantwortung liegt beim STANDARD, das bedeutet insbesondere, dass Kooperationspartner weder Form noch Inhalt der Berichterstattung vorgeben können. Die Co-Finanzierung durch öffentliche Stellen wird darüber hinaus durch das Medientransparenzgesetz geregelt, zu dessen Einhaltung sich der STANDARD verpflichtet.

"Vertrauensverhältnis" zu Nowak

In Schmids Aussagen kommt auch "Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak vor, zu dem er ein "Vertrauensverhältnis" gehabt habe. Deshalb habe er versucht, über Nowak Umfrageergebnisse bei Bundesländerzeitungen unterzubringen – Nowak ist in der eng vernetzten Runde der Chefredakteure von Bundesländerzeitungen.

Schmid spricht bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft auch über Nowaks Partnerin Valerie Hackl und dass die ÖVP sie als Vorstand der ÖBB Personenverkehr AG vorgeschlagen habe. Tatsächlich wurde Hackl unter Christian Kern als ÖBB-Chef in den Vorstand berufen und wurde 2016 nicht verlängert – der FPÖ-nahe Vorstand Arnold Schiefer hatte eine andere Kandidatin. Hackl zog ihre Bewerbung zurück, wurde unter Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) Vorstand der Austro Control und dort unter Nachfolgerin Leonore Gewessler (Grüne) verlängert.

Nowak wollte die Aussagen Schmids auf STANDARD-Anfrage nicht kommentieren. (fid, 19.10.2022)

Die Chatprotokolle, gelesen vom Ensemble des Burgtheaters. Schauspieler schlüpfen in die Rolle von Sebastian Kurz, Thomas Schmid und anderen. Das Video zur Dokumentation von DER STANDARD und Burgtheater.
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