Erstmals wurden die "Säulen der Schöpfung" für uns im Jahr 1995 sichtbar. Das Bild ist heute ein Klassiker.
Foto: NASA, ESA, Hubble Heritage Team (STScl/AURA)

Mitte der 90er-Jahre lieferte das Hubble-Weltraumteleskop ein Bild, das mittlerweile zu den ikonischsten astronomischen Ansichten gehört. Im Adlernebel, der ungefähr 7.000 Lichtjahre von uns entfernt ist, erheben sich in der legendären Ansicht Strukturen aus interstellarer Materie vor dem Hintergrund etlicher funkelnder Sterne. Der religiös inspirierte Titel des Bildes lautet "Die Säulen der Schöpfung" (englisch: "Pillars of Creation").

Manche wollen in den Säulen die "Hand Gottes" erkennen, Fachleute sprechen bei derartigen Gebilden auch von "Elefantenrüsseln". Was immer man darin erkennen mag: Das Bild fasziniert Menschen seit Jahrzehnten. Daher war auch abzusehen, dass das bahnbrechende James-Webb-Weltraumteleskop (JWST), das bereits für atemberaubende Abbildungen sorgte, seinen Blick auf den Adlernebel richten wird. Nun ist das Bild da – und lässt die Säulen in neuem Licht erscheinen.

Die neue Darstellung der "Säulen der Schöpfung" – in praktischem Format für den Smartphone-Displayhintergrund. Hohe Auflösungen lassen sich hier herunterladen.
Foto: NASA, ESA, CSA, STScI

Glühend junge Sterne

Farblich erinnert das neue Bild mit seinen Orange- und Blautönen an die seit einigen Monaten bekannte Ansicht des Carinanebels. Eindrücklich sind aber auch die scheinbar rotglimmenden Bereiche, die an der Spitze einiger Säulen zu erkennen sind. Dabei handelt es sich um Auswürfe von Sternen, die in der Gemengelage aus Gas und Staub eben erst entstanden sind. Das feurige Leuchten stammt von molekularem Wasserstoff, der quasi in Fontänen aus den Sternen birst. Die Sterne sind mit wenigen Hunderttausend Jahren noch äußerst jung.

Wie bei den anderen Bildern, die die NIR-Cam des Weltraumteleskops liefert, handelt es sich um Falschfarbenbilder. Immerhin wird der nahe Infrarotbereich aufgenommen und analysiert, der für menschliche Augen unsichtbar ist. Je nachdem, welche Aspekte einer Analyse man betonen möchte, werden astronomische Bilder unterschiedlich bearbeitet. Das wird auch bei zwei unterschiedlichen Abbildungen des Südlichen Ringnebels, die das Webb-Teleskop lieferte, deutlich.

Hubble versus Webb

Die "Säulen der Schöpfung" wurden erstmals 1995 vom Hubble-Teleskop eingefangen, eine schärfere Aufnahme veröffentlichte man 20 Jahre später zum 25. Geburtstag des Teleskops. Im Gegensatz zum 1,5 Millionen Kilometer entfernten Webb-Teleskop kann und konnte Hubble, das in 560 Kilometern Höhe die Erde umkreist, immer wieder mit besserer Technik ausgestattet werden.

Eine der Hubble-Aufnahmen von 2014 mit dem James-Webb-Bild von 2022 im Vergleich.

Die US-amerikanische Weltraumagentur Nasa veröffentlichte das neue Webb-Bild neben einer Hubble-Version von 2014. Der bunte Nebel im Hubble-Bild verhüllt dabei im Vergleich zur Webb-Aufnahme eine immense Anzahl an Sternen. Der Vergleich mag aber gegenüber dem älteren Weltraumteleskop unfair erscheinen: Auch dieses lieferte 2015 eine spektakuläre Ansicht mit unzähligen Sternen.

Eine weitere, 2015 veröffentlichte Hubble-Aufnahme ähnelt dem neuen James-Webb-Teleskop-Bild in Sachen Sternenzahl schon eher.
Foto: NASA, ESA, Hubble Heritage Team (STScl/AURA)

Nichtsdestoweniger zeigt das neue Bild des James-Webb-Teleskops frische Details und wird zu Recht gefeiert. "Seit Mitte der 1990er-Jahre studiere ich den Adlernebel und versuche, in das 'Innere' dieser Lichtjahre langen Säulen zu blicken, die Hubble zeigte, um in ihnen nach jungen Sternen zu suchen", teilte Mark McCaughrean, leitender wissenschaftlicher Berater der Europäischen Weltraumorganisation Esa, der BBC mit. Durch neue Daten lässt sich künftig besser erforschen, unter welchen Bedingungen sich die Sterne im Adlernebel bilden. "Ich habe immer gewusst: Wenn James Webb Bilder davon machen würde, würden sie atemberaubend sein", sagt McCaughrean. "Und das sind sie auch." (Julia Sica, 20.10.2022)

James Webb Space Telescope (JWST)