Als vor 200 Jahren im kleinen Städtchen Griswold im US-Bundestaat Connecticut die Tuberkulose ausbrach, hatte man noch keine Ahnung, dass Mycobacterium tuberculosis für dieses schreckliche Siechtum verantwortlich war. Erst 1882 sollte es dem Deutschen Robert Koch gelingen, den Erreger dieser Krankheit zu identifizieren, wofür ihm 1905 der Nobelpreis verliehen wurde.

Bis dahin vermutete man hinter den Symptomen häufig noch übernatürliche Einflüsse: Die Betroffenen magerten ab, husteten Blut, ihre Haut wurde aschfahl, und sie starben eines langsamen Todes – beinahe so, als würde ihnen das Leben geradezu ausgesaugt. Die Seuche verbreitete sich damals schnell über die sechs Bundesstaaten Neuenglands.

Untote waren verantwortlich

Neben Connecticut waren auch Maine, Massachusetts, New Hampshire, Rhode Island und Vermont betroffen – und die Hinterbliebenen der Opfer kamen häufig zu dem Schluss, dass nur Untote für diesen schrecklichen Fluch verantwortlich sein könnten: Diejenigen, die zuvor daran gestorben waren, mussten wohl aus dem Jenseits zurückgekehrt sein, um Jagd auf die Lebenden zu machen.

Kein Wunder also, dass die Neuengländer damals mit entsprechenden Mitteln gegen die vermeintlichen Vampire vorgingen. Die verängstigten Menschen gruben die Leichen der kürzlich Verstorbenen aus und setzten ihre Überreste in Form des Kreuzes wieder zusammen. In einigen Fällen entfernten sie innere Organe aus den Körpern und verbrannten diese. Eines der bekanntesten Opfer dieser Praktiken war John Barber aus Griswold, eines der frühesten Opfer der Tuberkulose in Connecticut.

Von Tuberkulose dahingerafft

Der zeitlebens hart arbeitende Mann hatte in den 1820ern mit 40 begonnen zu husten. Zunächst nur, wenn er sich anstrengte, auf der Farm zu hart anpackte. Aber bald schon kam der Husten immer öfter, teilweise blutig, selbst wenn er ruhte oder nachts im Bett lag. Barber war einer der Ersten, aber bei weitem nicht der Letzte, den die Tuberkulose im ländlichen Griswold dahinraffte.

Anhand des Totenschädels rekonstruierten Forscher das Gesicht von John Barber.
Foto: Parabon Nanolabs, Virginia Commonwealth University

Als etwa fünf Jahre später immer noch Menschen erkrankten und begannen, Blut zu spucken, erinnerten sich die ratlosen Leute an den abgemagerten, hohläugigen Farmer, mit dem die unheimliche Serie begonnen hatte.

Dem Spuk ein Ende setzen

Die Einwohner von Griswold kamen zu dem Schluss, dass er für die unheimliche Todesserie verantwortlich sein musste, und beschlossen, dem Spuk auf ihre Art ein Ende zu setzen: Sie versammelten sich am lokalen Friedhof, öffneten das Grab von John Barber und öffneten seinen Brustkorb, um sein verwestes Herz herauszuholen. Ehe sie das Grab wieder mit schweren Steinplatten verschlossen, legten sie seinen Schädel auf seinen Brustkorb und drapierten darunter kreuzförmig seine Schienbeinknochen. Merkwürdigerweise schien danach in Griswold tatsächlich Frieden einzukehren, und die Tuberkulose verebbte in der Region.

1990 entdeckten Kinder beim Spielen in einem Steinbruch den kleinen Friedhof von Griswold, in dem auch Barber beigesetzt worden war. Die herbeigeholte Polizei vermutete zunächst, sie hätten weitere Opfer des Serienmörders Michael Ross entdeckt, der im den 1980er-Jahren in Connecticut sein Unwesen getrieben hatte. Doch ziemlich schnell stellte sich heraus, dass die Gebeine deutlich älter waren, und man rief den Archäologen Nick Bellantoni von der University of Connecticut zu Hilfe.

"Jewett City Vampire"

Als Bellantoni das Grab Nummer vier öffnete und die merkwürdig arrangierten Knochen freilegte, vermutete er sofort, dass er auf einen "Vampir" gestoßen war, von dem die Zeitungen 1854 als "Jewett City Vampire" berichtet hatten. Jewett City ist heute ein Stadtteil von Griswold. Den Namen des "Vampirs" aus dem kleinen Friedhof von Griswold kannte Nick Bellantoni damals noch nicht, die Todesursache dagegen war schnell klar: Die Tuberkulose hatte hatte ihre Spuren hinterlassen und die Rippen von innen völlig zerfressen.

Nun endlich, rund 30 Jahre nach der Entdeckung des Grabes, konnte Bellantoni gemeinsam mit Kollegen anhand von DNA-Analysen beweisen, dass die 1990 freigelegten Gebeine tatsächlich jene von John Barber , dem vermeintlichen "Vampir von Connecticut", sind. Die Forschenden nahmen den genetischen Erfolg zum Anlass, auf Basis des geborgenen Schädels das Aussehen des Mannes, der für die Tuberkulose-Epidemie in Neuengland verantwortlich gemacht worden war, zu rekonstruieren. (tberg, 14.11.2022)