Ella Balinska bei den Fashion Awards 2021 in London. Die Arbeit an "Forspoken" vergleicht sie mit einem Theaterstück.

Foto: EPA/Vickie Flores

Zuvor war sie in der Netflix-Serie zu "Resident Evil" und in "Drei Engel für Charlie" (2019) zu sehen, nun hat die 26-jährige Ella Balinska der Protagonistin Frey aus dem Blockbusterspiel "Forspoken" Leben eingehaucht. Die von ihr verkörperte Spielfigur fällt vor allem durch markante Sprüche auf und durchlebt im Lauf der knapp zwanzigstündigen Geschichte einen Selbstfindungstrip. Ihr ständiger Begleiter ist dabei ein sprechender Armreif, der sich ebenfalls kein Blatt vor den Mund nimmt. Mit dem STANDARD spricht die Darstellerin über die ungewöhnliche Produktion und erklärt, welche Zielgruppe mit Frey adressiert werden soll.

Dieser Trailer gibt Einblick in die Story und den Stil von "Forspoken".
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STANDARD: Im "Forspoken"-Test des STANDARD haben wir Frey als "Bruce Campbell des 21. Jahrhunderts" beschrieben, weil sie ähnlich viel flucht wie der ikonische Held aus "Armee der Finsternis". Haben Sie mitgezählt, wie oft Sie Wörter wie "Shit", "Fuck" und "Bitch" gesagt haben?

Balinska: (lacht) Offen gesagt glaube ich, dass das unmöglich wäre. Aber vielleicht gibt es da draußen ja einen Fan, der das zählt. Das Drehbuch ist halt sehr organisch und wurde entsprechend umgesetzt.

STANDARD: Haben Sie teilweise auch mehr geflucht und improvisiert, oder sind Sie dem Drehbuch treu geblieben?

Balinska: Wir sind dem Drehbuch weitgehend treu geblieben. Nur manchmal gab es Dinge, die besonders überwältigend waren, da haben wir uns entsprechend angepasst.

STANDARD: Die meisten Games dieses Genres richten sich an Männer um die 40, "Forspoken" scheint sich eher an Teenager-Mädchen und junge Frauen zu richten. Wen wollen Sie mit Frey ansprechen?

Balinska: Das Tolle ist, dass es ein Abenteuer in einer offenen Welt ist. Und Abenteuer sollten sich nicht auf eine bestimmte Altersgruppe beschränken. Es gibt Elemente von Frey, die sich an eine jüngere Zielgruppe richten, die gerade erst mit dem Gamen anfangen und sehen wollen, wie die Charaktere auf bestimmte Situationen reagieren. Gleichzeitig lieben wir es alle, als Spielfiguren in eine fremde Welt einzutauchen. Also glaube ich nicht, dass wir uns auf eine bestimmte Zielgruppe beschränken.

STANDARD: Zuvor haben Sie unter anderem in der Serie "Resident Evil" und im Film-Reboot von "Drei Engel für Charlie" mitgespielt. Wie unterscheidet sich der Workflow in der Produktion eines Computerspiels von Ihren bisherigen Projekten?

Balinska: Der Prozess des Performance-Capturing war interessant für mich, weil ich das zuvor nicht gemacht hatte und viel dabei gelernt habe. Auch hier versucht man anfangs, sich in die Rolle hineinzufinden, verliert sich in der Szene. Aber beim Filmen für Spiele zieht man dann unter anderem die Kopfkameras an. Es hat mich auch stark an meine Wurzeln im Theater erinnert. Auch hier muss man nicht auf einen bestimmten Kamerawinkel achten, sondern hat den gesamten Raum zur Verfügung – das ist auf eine gewisse Weise sehr befreiend. Auch wird bei Games ähnlich wie beim Theater eine Szene in einem Durchgang durchgespielt, man kann nicht – wie im Film – eine Dialogzeile neu aufnehmen, damit das anschließend reingeschnitten wird. Andererseits kann man eine Szene auch komplett neu aufnehmen, wenn man sie vermasselt (lacht).

STANDARD: Frey läuft und springt sehr viel ... Mussten Sie das auch im Lauf der Produktion?

Balinska: Viel von dem Parkour hängt mit der Arbeit des Teams zusammen. An einigen Tagen machten wir Stunts, bei denen sie sehr aufmerksam beobachtet haben, wie ich falle und wie ich auf dem Boden lande. Das konnten sie nachher digital verfeinern.

STANDARD: Normalerweise hat man als Schauspielerin ja Dialoge mit Menschen. Ihr Job war besonders ungewöhnlich, weil sie sich die meiste Zeit über mit einem inexistenten sprechenden Armreif unterhalten. War das kompliziert?

Balinska: Jonathan Cake, der Schauspieler hinter dem Armreif, war jeden Tag mit uns auf dem Set. Dabei blieb er aber die meiste Zeit außerhalb meines Sichtfelds, damit ich nicht in seine Richtung spreche – es liegt nun mal in der menschlichen Natur, jene Person anzusehen, mit der man spricht. Er tanzte also um mich herum, während ich mit diesem ominösen Objekt redete (lacht). Das war ein lustiger Aspekt an der Arbeit, diese Hassliebe und die interessante Beziehung zwischen Frey und ihrem Armreif zu erzählen, besonders in Richtung Ende der Geschichte.

STANDARD: Ja, apropos Ende ... ohne viel zu spoilern – aber es ist nicht sonderlich clever von Frey, am Ende der Geschichte den Armreif wieder anzuziehen.

Balinska: Aha (denkt kurz nach). Ich glaube, dass sie in dieser Situation schon die volle Kontrolle über das Geschehen hat. Ich würde es als "High risk, reward" bezeichnen (lacht).

STANDARD: Wie lange haben Sie an dem Projekt gearbeitet?

Balinska: Sie sind Ende 2019 auf mich zugekommen, und wir haben auch während der Pandemie sehr koordiniert zusammengearbeitet. In Summe haben wir also rund drei Jahre an "Forspoken" gearbeitet, was für ein Videospiel meiner Meinung nach sehr beeindruckend ist.

STANDARD: Aber deutlich länger als die Produktionszeit einer Serie, oder?

Balinska: Ja, es ist länger als die Produktionszeit von Filmen und Serien. Aber für ein Videospiel ist es äußerst schnell gegangen.

STANDARD: Insgesamt sind die Reviews zu "Forspoken" gemischt, die meisten Kritiker sind sich aber einig, dass Frey frischen Wind in das Genre bringt. Werden wir Sie also nun öfter als Schauspielerin in Spielen sehen, und wird es mehr von Frey geben?

Balinska: In einem Videospiel zu spielen war für mich eine große Errungenschaft, ich bin selbst eine Gamerin. Es war also klar, dass ich dieses Projekt nicht ablehne. Der Prozess war faszinierend, das Team ist extrem motiviert. Es wäre also eine Ehre, erneut in ein Spiel hineinanimiert zu werden, vor allem als Frey.

STANDARD: Zu einem Teil zwei würden Sie also nicht Nein sagen?

Balinska: Nein, absolut nicht. Wir hatten viel Spaß. (Stefan Mey, 25.1.2023)