Nach anderen großen westlichen Ketten schloss gegen Jahresende 2022 auch H&M seine Geschäfte in Russland. Die Boykotte und Sanktionen treffen die russische Wirtschaft in manchen Aspekten, oft aber weniger schlimm als erwartet und erhofft.

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Die Anzahl der Sanktionen dürfte spätestens zu Jahresende ein Art Hoch erreicht haben. Nachdem die Zahl bis vergangenen Mai sprunghaft nach oben gegangen war, flachte sich die Kurve zunehmend. Zuletzt traten mit Jahresende bedeutende Sanktionen in Kraft, etwa das Ölembargo des Westens gegenüber Russland.

Auch wenn es in der öffentlichen Wahrnehmung nicht immer so scheinen mag: Die Sanktionen gegen Russland sind weitgehend eine Angelegenheit der Staaten des Westens. Lateinamerika und Afrika sind fast ausnahmslos nicht dabei, und, noch wichtiger: Ebenfalls außen vor sind die bedeutenden weltwirtschaftlichen Akteure China und Indien.

Die Sanktionen gegen Russland sind durchaus umfassend ausgefallen – mit einer wichtigen Ausnahme: dem Gassektor, konkret dem Import des Rohstoffs. Denn ohne russisches Gas geht in Europa immer noch kaum etwas. Weitere, vergleichsweise kleine Bereiche sind ebenfalls ausgenommen, beispielsweise der Zugriff auf Konten russischer Auslandsbanken.

Bis zum Jahr 2021 war es noch relativ ausgewogen: Russland exportierte mehr oder weniger gleich viel wie es importierte. Im Jahr 2023 zeigt sich erstmals eine deutliche Schieflage: Russland importiert viel mehr als es exportiert. Längerfristig gefährdet das Ungleichgewicht die Stabilität der Staatsfinanzen.

Die Inflationsrate in Russland betrug im Jahr 2022 knapp 14 Prozent. Zum Vergleich: In Österreich lag sie bei 8,5 Prozent. Russlands Inflation ist also durchaus hoch, aber bei weitem nicht so, wie es viele Fachleute erwartet haben – und heuer sollen die Inflationsraten Österreichs und Russlands laut Prognosen sogar circa gleichauf liegen.

Ähnliches gilt für das Wirtschaftswachstum: Russlands Wirtschaft, wiewohl durchaus geschrumpft, ist weit von einem Kollaps entfernt.

Stärker zeigt sich der wirtschaftlichen Rückgang beim Moskauer Börsenindex MOEX. Er brach zu Kriegsbeginn um ungefähr ein Drittel ein und ist seither auf diesem Niveau geblieben.

Nach einem geradezu historischen Einbruch zu Kriegsbeginn erholte sich der Rubel-Kurs wieder – entgegen dem, was viele erwartet hatten. Inzwischen ist der Rubel gar stärker als vor dem Ukraine-Krieg. Das Ziel der Sanktionen, die russische Währung zu schwächen, wurde also klar verfehlt.

Was den Verkauf fossiler Brennstoffe betrifft, lukriert Russland aus China, Indien und anderen Weltgegenden ungefähr gleich hohe Einnahmen wie vor Kriegsbeginn. Anders jedoch aus Europa: Jene Einnahmen, die von dort herstammen, sind massiv gefallen – was insgesamt dazu führt, dass die Russen aus dem Verkauf fossiler Energien deutlicher weniger lukrieren als vor dem Krieg.

Das Fazit: Die Inflation ist zwar hoch, die Wirtschaftsleistung sackt ab, und die Börse hat sich vom Ukraine-Überfall nicht mehr erholt. Dennoch muss man insgesamt konstatieren: Richtig hart oder gar existenziell betroffen wurde Russlands Wirtschaft von den Sanktionen nicht. Das zeigt sich beispielsweise am Rubel-Kurs, aber auch daran, dass Russlands wirtschaftlicher Rückgang ungefähr jenen Werten entspricht, die Europas Staaten im Corona-Jahr 2020 aufwiesen. Rosig ist das zwar nicht – aber bei einem Kriegsland, das einem der härtesten Sanktionsregime aller Zeiten unterworfen ist, könnten die Zahlen wahrhaft schlechter sein. (Joseph Gepp, Michael Matzenberger, Lisa Duschek, 20.2.2023)