Im Gastblog präsentiert Kurt Tutschek Schmuckstücke, mit denen relativ diskret der geliebten Person gedacht werden konnte.

Sie sehen recht modern aus: detailgetreu gemalte Augen, für die Ewigkeit in Broschen, Anhänger von Halsketten oder als Einlegearbeit in Schatullen integriert. Meist als Aquarellmalerei auf Elfenbein oder Gouache-Malerei auf Karton ausgeführt, finden sich die Miniaturen auch eingelassen in Ringen, Medaillons, Schnupftabaksdosen und sogar Zahnstocheretuis.

Augenminiaturen wurden gegen Ende des 18. Jahrhunderts als Liebesbeweis ausgesprochen populär, da durch den engen Bildausschnitt, der sich meist auf ein einziges Auge beschränkte, die Anonymität der oder des Geliebten gewahrt blieb, selbst wenn das Schmuckstück in aller Öffentlichkeit getragen wurde.

Linkes Auge, um 1800.
Foto: Philadelphia Museum of Art

Das Auge ist traditionell ein sehr mächtiges Symbol, wird es doch auch als "Fenster zur Seele" interpretiert. Es ist das Auge Gottes, das uns durchschaut, es ist Zeichen der Wachsamkeit, aber auch der Freimaurerorden wählte das "Auge der Vorsehung" als Sinnbild. 

E. Vestells linkes Auge | ca. 1800
Foto: Philadelphia Museum of Art
Schatulle mit der Darstellung des linkes Auges einer Frau | ca. 1800
Foto: Philadelphia Museum of Art
Das rechte Auge eines Mannes.
Foto: Philadelphia Museum of Art

Geschichte im Königshaus

Der Überlieferung nach geht die Geschichte der "lover's eyes" auf den Prinzen von Wales, den späterer König Georg IV, zurück, der sich in eine verwitwete irische Katholikin namens Maria Fitzherbert verliebte. Er umwarb sie zunächst erfolglos, versuchte aber immer wieder, ihre Zuneigung zu gewinnen und ihr seine unsterbliche Liebe zu beweisen, aber sie wollte nichts davon wissen. Schließlich willigte sie aber doch widerstrebend ein, ihn zu heiraten, zog ihre Einwilligung aber bald darauf zurück und floh auf den Kontinent, um Georges Aufmerksamkeit zu entgehen.

Georg jedoch blieb beharrlich und verfasste ein Schreiben an Mrs. Fitzherbert. Im Brief machte er ihr einen zweiten Heiratsantrag. Statt eines Verlobungsrings schickte er ihr allerdings ein Bild seines eigenen Auges in einem Medaillon, gemalt von dem Miniaturisten Richard Cosway, einem der berühmtesten Porträtmaler der damaligen Zeit. 
Es ist nicht bekannt, ob es der Brief oder das Auge war, das Mrs. Fitzherberts Gefühle veränderte, aber kurz darauf kehrte sie nach England zurück und heiratete den Prinzen in einer geheimen Zeremonie am 15. Dezember 1785. Rechtlich gesehen war diese Ehe allerdings ungültig, da die Heirat eines Mitglieds der Königsfamilie nur mit Zustimmung des Königs vollzogen werden konnte.

Auge von Maria Miles Heyward (Künstler: Edward Greene Malbone) | ca. 1802
The MET, gemeinfrei

Und so traten die "lover's eyes" ihren kurzen Siegeszug in der Geschichte der Schmuckproduktion an.

Das dargestellte Auge erhielt meist eine dekorative Umrandung aus Gold, unterschiedlichsten Edelsteinen oder Perlen, und oft befand sich auf der Rückseite ein Haarfach, in dem eine Locke der geliebten Person aufbewahrt werden konnte. Da weitere Details des umgebenden Gesichts ausgespart wurden, blieb Anonymität gewahrt. Nur ein Geliebter, ein Ehepartner, ein enges Familienmitglied würde das Auge der Person erkennen, sodass es offen am Körper getragen werden konnte.

Augenbrosche, um 1800.
Foto: The MET, gemeinfrei
Das Geheimnis wird gelüftet – Darstellung beider Augen | ca. 1840
Foto: The MET, gemeinfrei
Augenminiatur von Victoria von Sachsen-Coburg, Herzogin von Nemours | 1845
Foto: Nationalmuseum Sweden, gemeinfrei

Im frühen 19. Jahrhundert hatten sich die Augenminiaturen auch zu einer Form des Gedenkschmucks entwickelt, die manchmal als "Tränenschmuck" bezeichnet wurde. Der Zweck des Augenporträts verlagerte sich von der heimlichen Liebe zur Erinnerung an einen geliebten Menschen. Mit einer Träne verziert oder als durch Wolken blickend dargestellt, riefen die Miniaturen starke Gefühle hervor.

Das rechte Auge eines Mannes | ca. 1800–1810
Foto: Philadelphia Museum of Art
Das Auge einer Dame | ca. 1800
Foto: Smithsonian American Art Museum, gemeinfrei
Augenminiatur auf einer elliptischen Elfenbeindose | ca. 1800
Foto: Smithsonian American Art Museum, gemeinfrei

Die kleinen Kunstwerke, oder vielmehr eine Mischform aus Portät, Schmuck und Dekoration kamen so rasch aus der Mode wie sie erschienen waren. Spätestens zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sie den Horizont der Popularität überschritten und verschwanden aus den Augen der Öffentlichkeit. Bis heute geblieben sind etwa 1000 Stück der wundersamen Miniaturen, die einige jahrzehntelang geheime, intime, oder auch weniger heimliche Verbindungen zwischen zwei Menschen enthüllten. (Kurt Tutschek, 18.2.2023)

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