Gerechtes Arbeiten, Lebensqualität oder Dilemma für Firmen und Systeme: Die Teilzeitanstellung hat Vor- und Nachteile.
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Teilzeit kommt gerade in Verruf. Vor allem Frauen sollen mehr Stunden in bezahlte Jobs investieren. Denn der Wirtschaft fehlt ihre Arbeitskraft, die sozialen Sicherungssysteme fürchten um Beiträge. Das "Arbeitskräftepotenzial" sitzt aber auf dem längeren Ast. Drei Thesen, wie es mit der Teilzeit weitergehen könnte.

1. Teilzeit ist in vielen Phasen wichtig

Teilzeit ist grundsätzlich eine Errungenschaft, die entweder Teilhabe am Erwerbsleben oder den Lebensumständen gerechtes Arbeiten ermöglicht. Die ziemlich neue Wiedereingliederungsteilzeit nach langem Krankenstand etwa ist eine Notwendigkeit. Das hilft Menschen, Unternehmen, sozialen Systemen. Bildungsteilzeit ist wichtig, um Schritt halten zu können und Qualifikationen zu erwerben. Pflegeteilzeit gehört in der Arbeitswelt als gesellschaftliche und menschliche Notwendigkeit fest verankert. Altersteilzeit ist zumindest ein Weg, um Ältere nicht ansatzlos ins Pensionsabseits zu schieben. Und schließlich noch Kurzarbeit: Für wie viele Unternehmen war das in der Corona-Pandemie die einzige Möglichkeit zu überleben?

Eltern, die diese Rolle leben wollen, brauchen ihr Recht auf Teilzeit. Ob das sieben Jahre inklusive erhöhten Kündigungsschutzes sein muss, darf aber debattiert werden. Dass Arbeitsminister Martin Kocher durch mehr und bessere Betreuungsangebote hier Reserven mobilisieren und positive Gesamteffekte kassieren könnte, ist sehr wahrscheinlich.

2. Teilzeit ist Anspruch auf Lebensqualität

"Weniger Arbeit, mehr Leben" – ist das die böse Teilzeit? Gehäuft tritt sie jedenfalls in der Dienstleistung und in der IT auf sowie unter Jungen aus privilegierteren Milieus. Das hängt nicht nur mit dem Erben, dem Leben im Hier und Jetzt, dem Gesundheitsbewusstsein, dem schlechten Workaholic-Vorbild der Eltern oder mit weniger Besitzansprüchen zusammen. Sondern auch mit der wahrgenommenen Qualität und den Bedingungen in Jobs. Hier schlummert wohl Martin Kochers zweite Reserve, die er mobilisieren kann. Wenn Unternehmen mitmachen – von besserer Bezahlung über individuelle Angebote der Flexibilität bis zur wertschätzenden Unternehmenskultur. Zwangsmaßnahmen und Sanktionen dürften hier wenig bringen. Was hat eine Firma von einem Mitarbeiter, der erzwungen mehr Stunden abdient, die er gar nicht arbeiten will? Begehrte Fach- und Arbeitskräfte sitzen inmitten des erwarteten anhaltenden Mangels einfach am längeren Ast und können die Kreativität der Unternehmen im Recruiting-Wettkampf – "War for Talents", wie das martialisch heißt – weiter antreiben.

3. Teilzeit als Dilemma für Firmen und Systeme

Hier kommt das Dilemma der Unternehmen ins Spiel. Sie müssen Teilzeit mögen, auch wenn sie diese nicht mögen, weil Dutzende unterschiedliche Modelle enormen Verwaltungsaufwand und auch Mehrkosten verursachen und die Personalplanung komplex machen. Georg Horacek, Personalchef über 3000 Mitarbeitende beim Flugzeugzulieferer FACC, etwa sagt, in seinem Unternehmen gebe es an die 200 Teilzeitmodelle. Allerdings kaum für den Produktionsbereich, für den er aktuell 600 Fachleute sucht. Dort brauchen Menschen das Geld aus Vollzeitarbeit. Aber auch dort fallen die Fachkräfte nicht vom Himmel. An diesem Problem würde ein Zurückdrängen von Teilzeitarbeit im Angestelltenbereich nichts ändern.

Kürzere Arbeitszeiten werden im Angestelltenbereich aber immer stärker gewünscht. Kein Wunder, dass von der Agentur bis zum Bauunternehmen Viertagewochen probiert und zunehmend Teilzeitstellen offeriert werden. Das bringt auch innerbetriebliche Asymmetrie, oft müssen ja Vollzeitarbeitende dann zu Randzeiten für die Teilzeitkollegen mitarbeiten.

Allerdings können Unternehmen viel dazu beitragen, dass für Eltern entweder mehr Arbeitsstunden möglich werden oder junge Neueinsteigende gerne länger arbeiten. Elisa Aichinger, Beraterin bei Deloitte, glaubt: Mitarbeitende könnten durch Betriebskindergärten, Betreuungszuschüsse, Flying Nannys, Hilfe bei der Altenbetreuung unterstützt werden. Wer während der Karenz fortlaufend Kontakt zum Arbeitgeber hat, kommt früher zurück und fühlt sich mehr gebraucht. Dort, wo Stundenkontingente problemlos geändert werden können, kann es auch besser klappen. Aber eigentlich beginnt alles schon beim Recruiting und der Frage, wie überfrachtet Jobprofile sind. Es setzt sich fort im Zugehörigkeitsgefühl und führt bis an das Pensionsalter: Was wird Älteren ab 50 aktiv als neue Modelle angeboten? Wie wird Leistung gemessen und honoriert? Teilzeit kann auch mehr Produktivität bedeuten. Nicht zwangsläufig muss diese Art zu arbeiten Karrieren und höhere Gagen limitieren.

Spielräume und Irrwege

Dass Martin Kocher nun die Verantwortung für soziale Absicherungssysteme auf die Schultern der Teilzeitarbeitenden legt, wird weder dem komplexen Thema noch dem jeweils nötigen Beitrag aller gerecht. Und im schlimmsten Fall setzt das sogar ein Spaltungssignal.

Politische Spielräume gibt es. Unternehmerische ebenso. (Steuerliche) Belohnung für Mehrstunden. Belohnung von Firmen, die sich flexible Modelle überlegen. Abwertung der Teilzeit ist katastrophal. Bewertung notwendig. Gefragt ist ein großer Wurf, ein Weg in die neue Arbeitswelt und in eine faire Gesellschaft. (Karin Bauer, 25.2.2023)