"Es geht um unser Bild beim Publikum": ORF-Stiftungsrat Thomas Zach über neue Verhaltensregeln und eine Ethikkommission für den ORF.

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Wien – Die ab 2024 geplante Haushaltsabgabe für alle, unabhängig vom Empfang, bedeutet für den ORF zusätzliche Anforderungen, sagt Thomas Zach, Sprecher der ÖVP-nahen Mehrheit im ORF-Stiftungsrat im Gespräch mit dem STANDARD. Der ORF müsse allen etwas bieten – und das auch digital dürfen. Die Abgabe für alle verlange zudem "höchstmögliche Glaubwürdigkeit" vom ORF und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

ORF-Gesetz auf der Zielgeraden

Bis zur Sitzung des obersten ORF-Organs am kommenden Donnerstag dürfte sich ein fertig verhandeltes ORF-Gesetz noch nicht ausgehen. Aber die Entwürfe sollen nach STANDARD-Informationen schon ziemlich weit sein.

Ein neues Rundfunkgebührengesetz soll aus der GIS ab 2024 eine Haushaltsabgabe für alle machen, dafür etwas günstiger als die bisherige Rundfunkgebühr. Der Verfassungsgerichtshof hat die GIS mit ihrer Ausnahme für alleinige Streaminghaushalte ja mit Ende 2023 als verfassungswidrig aufgehoben.

Eine Novelle des ORF-Gesetzes soll dem ORF parallel mehr Möglichkeiten in Streaming und in Social Media einräumen. Diese Digitalnovelle soll die Koalition nach Informationen des STANDARD noch nicht konkret verhandelt haben. Das könnte sich aber in den nächsten Tagen ändern.

"ORF für alle"

Für Thomas Zach, den Vorsitzenden des Finanzausschusses im Stiftungsrat, ist eine solche Digitalnovelle logische Konsequenz aus einer Haushaltsabgabe.

Wenn der ORF künftig eine Abgabe von allen einhebe, dann müsse er auch Angebote für alle machen: Der Ansage von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann schließt sich Zach im STANDARD-Gespräch an und schließt daraus: "Wenn der ORF eine Haushaltsabgabe als Grundlagenfinanzierung bekommt, muss er noch mehr ein ORF für alle sein." Um aber junges Publikum zu erreichen, müsse er digitale Kanäle nutzen können. "Da muss man konsequent sein. Wenn der ORF nicht für alle wahrnehmbar ist, weil ihm Vertriebskanäle verwehrt sind, machen wir etwas verkehrt."

Private Medien verlangen im Gegenzug eine Reduktion des "zeitungsähnlichen" Textangebots auf ORF.at. ORF-General Roland Weißmann hat eine Reduktion des Textangebots angekündigt.

Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) verlangte vom ORF im Gegenzug für eine Haushaltsabgabe deutliche Einsparungen.

Zach, der als Vorsitzender des Finanzausschusses seit vielen Jahren immer wieder Einsparungen über die Budgetplanung der ORF-Führung hinaus verlangt, kann diese Forderung nachvollziehen. Aber er sagt auch: "Wenn man von uns erwartet, dass wir erhebliche Einsparungspotenziale darstellen, dann sind diese Potenziale nur im Zusammenhang mit einer Digitalnovelle realisierbar."

ORF-General Weißmann hat angekündigt, ORF Sport Plus als linearen Kanal einzustellen; das Radio-Symphonieorchester RSO sei für den ORF nicht mehr leistbar.

"Der Gesetzgeber hat einen öffentlich-rechtlichen Kernauftrag klar definiert", sagt Zach dazu. Weitere Angebote sind im Gesetz als Möglichkeiten formuliert – nach Maßgabe der wirtschaftlichen Möglichkeiten des ORF. Unter diese Möglichkeiten fällt der Sportspartenkanal. Und für das RSO gibt es keinen aktuellen gesetzlichen Auftrag.

"Das RSO ist unbestritten ein hervorragendes Orchester, und das Musikland Österreich wäre ärmer, wenn es auf einen solchen Klangkörper verzichten müsste", sagt Zach. "Es sollte also alles getan werden, und die Gespräche laufen, dass es erhalten werden kann. Aber der ORF kann es sich nicht mehr leisten. "

Ethikkommission

ORF-General Weißmann könnte dem ORF-Stiftungsrat kommende Woche eine neue Ethikkommission präsentieren, die einen neuen "Code of Conduct" für den ORF erstellen soll. Angekündigt hat Weißmann diese Kommission nach dem Rücktritt von Matthias Schrom als TV-Chefredakteur im November 2022 nach Bekanntwerden von Chats mit dem damaligen FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache aus 2019.

Seither trat Robert Ziegler als ORF-Landesdirektor in Niederösterreich zurück, bevor eine Evaluierungskommission ihren Bericht über teils erhärtete Vorwürfe von Einflussnahme zugunsten der ÖVP offiziell vorlegen konnte.

Zeigen solche Vorfälle die Notwendigkeit neuer Verhaltensregeln? Die Vorfälle lassen sich ja schon mit den bestehenden Regeln, etwa Programmrichtlinien und Redaktionsstatut, nicht recht vereinbaren.

Zach sagt: "Am Ende des Tages geht es um Verantwortung, um Eigenverantwortung, die kann ich nicht durch Regeln ersetzen. Regeln können nur helfen, diese Verantwortung besser wahrzunehmen."

Eine auch international besetzte Ethikkommission könnte "mit einem Blick von außen" prüfen, ob die bestehenden Regeln noch zeitgemäß sind, und ein "State of the Art"-Regelwerk, einen systematischen Code of Conduct entwerfen.

Die Notwendigkeit leitet Zach ebenfalls aus der künftigen Finanzierung durch eine Haushaltsabgabe für alle ab: "Es geht um unser Bild beim Publikum. Ein ORF für alle muss beim Publikum höchstmögliche Glaubwürdigkeit haben", die Ethikkommission könne dazu einen wesentlichen Beitrag leisten.

Die Haushaltsabgabe, sagt Zach, sei ein "wirklich großer Meilenstein, wenn man in Österreich einen zukunftsfitten öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben will. "Das ist die größte Veränderung, seit ich im ORF-Stiftungsrat bin" – und das sind immerhin bald zwölf Jahre. Die Abgabe werde "das Unternehmen extrem positiv weiterentwickeln", findet er. (Harald Fidler, 19.3.2023)