Die biomedizinische Forschung konnte in den vergangenen Jahren entscheidende Erfolge erzielen. Durch die mRNA-Technologie war eine rasche Entwicklung von Corona-Schutzimpfungen möglich.
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1. Biodiversität – Die natürliche Vielfalt, die unser Überleben sichert

Unser Planet ist ein System der Systeme, in dem jede Tier- und Pflanzenart spezifische Aufgaben erfüllt. Diese natürliche Vielfalt erhält die Gesundheit der Böden, der Gewässer sowie aller terrestrischen Biotope und ihrer Bewohner – inklusive des Menschen. Fallen gewisse Arten weg, kann das gesamte Netzwerk in Mitleidenschaft gezogen und instabil werden. Aus Studien ist bekannt, dass ein diverses Arteninventar die natürliche Widerstandskraft von Ökosystemen stärkt.

Doch die Artenvielfalt gerät zusehends in Bedrängnis, rund eine Million Tier- und Pflanzenarten drohen zu verschwinden. Die Ursachen reichen von Lebensraumzerstörung über Umweltverschmutzung bis hin zu den Auswirkungen des Klimawandels. Um das Ruder herumzureißen, sollen 30 Prozent der globalen Land- und Meeresfläche bis 2030 in Schutzzonen umgewandelt werden. Zweifellos zählt die Biodiversität zu jenen Forschungsfeldern, die in den kommenden Jahrzehnten immer wichtiger werden.

2. Künstliche Intelligenz – ChatGPT zeigt, wie selbstlernende Systeme die Welt verändern

2023 könnte als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem künstliche Intelligenz erstmals massentauglich wurde. Verantwortlich dafür sind Sprachmodelle wie ChatGPT und Bildsoftware wie Midjourney und Dall-E.

In der Forschung ist maschinenbasiertes Lernen längst fixer Bestandteil. Künstliche Intelligenz hilft dabei, neue Medikamente zu entwickeln, nachhaltige Werkstoffe zu erfinden, aber auch die Energie- und Wasserversorgung zu sichern. Auf Smartphones sind solche Technologien ohnehin längst bei der Sprach-, Bild- und Objekterkennung im Einsatz. Leicht zugängliche Plattformen wie ChatGPT sind mittlerweile so gut im Texteverfassen, dass sie selbst Forschende und Lehrende täuschen können. Wie damit an Unis umzugehen ist, ist ebenso ein Streitpunkt wie die Frage, wie vertrauenswürdig, transparent und objektiv solche Modelle sind. Beim Abstrahieren geraten diese immer noch schnell an ihre Grenzen. Viele Forschende warnen daher vor überzogenen Erwartungen.

3. In-vitro-Fleisch – Mit Zellen und Bioreaktor zum Schnitzerl aus dem Labor

Es war eine Weltpremiere, in deren Mittelpunkt Hühnerfleisch stand, genauer gesagt: im Labor kultivierte Hühnerfilets. Seit November 2022 besitzt das US-amerikanische Start-up Upside die nötige Zulassung, um sein Fake-Huhn für den menschlichen Verzehr anzubieten. Fleisch aus der Retorte ist lange schon Thema der Forschung, gilt die herkömmliche Produktion von tierischem Protein doch als einer der größten Treiber des Klimawandels.

Fleischalternativen werden, neben E-Autos und nachhaltigen Düngemitteln, als einer von drei "Superhebelpunkten" gehandelt, dank derer der Großteil der weltweiten Treibhausgasemissionen eingedämmt werden könnte. Positive Auswirkungen werden auch auf den Land- und Wasserverbrauch in der Agrarwirtschaft erwartet. Für Laborfleisch werden tierische Vorläuferzellen entnommen und mithilfe eines Nährmediums in einem Bioreaktor genannten Behältnis vermehrt. So entstehen dünne Fleischschichten, die Faschiertem ähneln.

4. Migrationsforschung – Wenn der Klimawandel die Welt zum Wandern zwingt

Die Auswirkungen der globalen Erwärmung äußern sich in Extremwetterereignissen wie Dürren, Starkregen und Überflutungen, die in vielen Teilen der Welt die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln gefährden. All das wird künftig eine oft noch übersehene Folge des Klimawandels verstärken: Flucht.

Bereits im Jahr 2021 verließen laut Internal Displacement Monitoring Centre knapp 24 Millionen Menschen ihre Heimat wegen heftiger Naturereignisse. 80 Prozent davon stammen aus armen, teils krisengeschüttelten Ländern wie Afghanistan, Südsudan oder Venezuela, die kaum Ressourcen besitzen, um Klimawandelfolgen abzumildern.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Metastudie mit Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die zeigt, dass Migration stark vom Wohlstand und den soziopolitischen Faktoren eines Landes abhängt. Starke Fluchtbewegungen sind dort zu erwarten, wo große Teile der Bevölkerung von Landwirtschaft und damit einer intakten Umwelt abhängen.

5. Zoonosen – Wie künftige Pandemien verhindert werden könnten

Viele der gefährlichsten Infektionskrankheiten, die die Menschheit plagen, sind Zoonosen: Diese Erkrankungen haben zunächst Tiere betroffen und sind irgendwann auf den Menschen übergesprungen. Dazu zählt Sars-CoV-2 ebenso wie Malaria, Ebola, FSME oder auch die Affenpocken.

Dass Zoonosen immer häufiger werden, ist kein Zufall: Durch Lebensraumverlust werden viele Wildtiere in immer größere Nähe zu menschlichen Siedlungen gedrängt. Wildtiermärkte oder das Verspeisen von Tierkadavern erhöhen das Risiko von Zoonosen ebenfalls. Der Klimawandel wird die Situation verschärfen: Dürre und Überflutungen machen Lebensraum unbewohnbar – in den übrigen Gebieten geraten Mensch und Tier enger aneinander.

Umso mehr gilt, die Forschung zu verstärken und Maßnahmen zu setzen: Ausweitung von Schutzzonen, Reduktion von Wildtierkontakten und Massentierhaltung, Gesundheitsaufklärung sowie frühzeitiges und effektives Pandemiemanagement.

Ein Kohlekraftwerk in der indischen Stadt Ahmedabad: Die Energieversorgung der Zukunft wird ohne diese CO2-intenstive Energieform auskommen müssen.
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6. Energieversorgung – Kernfusion, Wasserstoff und Solar

Damit der klimarelevante Ausstieg aus fossiler Energie gelingt, sind viele neuen Technologien notwendig. Allein für den bereits ins Rollen gebrachten Umstieg auf Elektromobilität wird in den kommenden Jahren viel möglichst sauber produzierter Strom benötigt.

Woher die Energie kommt und wie sie effizient verteilt und genutzt wird, ist nicht nur eine politische Frage. Auch in der Forschung werden diverse Richtungen ausgelotet. Neben neuen Materialien für Solar- und Photovoltaikzellen, die mehr Ausbeute bei dünnerer Bauweise versprechen, liegt ein Schlüssel zum Erfolg in effizienten Energiespeichern. Durch die Einbindung diverser Technologien und die angestrebte Dezentralisierung der Netze müssen diese intelligenter werden. Neben der ewigen Antriebshoffnung Wasserstoff, dessen Erzeugung energieintensiv ist, bleibt auch die Kernfusion spannend. Zuletzt gelang es in den USA, bei einem Experiment mehr Energie zu erzeugen, als investiert wurde. Auch in Europa wird emsig daran geforscht.

7. Gendermedizin – Das Geschlecht macht in der Medizin den Unterschied

Rückenschmerzen, Atemnot, Übelkeit und Schweißausbrüche klingen nicht nach den typischen Anzeichen eines Herzinfarkts. Sie sind es aber, allerdings bei Frauen. Am Beispiel von Herzerkrankungen erkannte die Wissenschaft in den 1980er-Jahren erstmals markante medizinische Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Aus diesen Erkenntnissen entwickelte sich die Gendermedizin, auch geschlechtersensible Medizin genannt. Diese beschäftigt sich mit dem Faktor Geschlecht als Einflussgröße im Hinblick auf Erkrankungen sowie medizinische Behandlung, Forschung und Prävention.

Während geschlechtsabhängige Unterschiede teils sehr deutlich zutage treten, bleiben sie in anderen Bereichen stärker verborgen und sind nur sehr schwer feststellbar. Auf dem Gebiet der Gendermedizin gibt es daher noch etliche offene Fragen zu klären. Erst danach folgt die Aufgabe, neue wissenschaftliche Erkenntnisse in die klinische Praxis zu integrieren und eine optimierte Behandlung bereitzustellen.

Wälder spielen eine wichtige Rolle dabei, die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Mischwälder sind den Herausforderungen besser gewachsen als Monokulturen.
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8. Waldforschung – Bäume sind ein Schlüssel, um die Klimakatastrophe abzuwenden

Sinkender Blutdruck, Abbau von Stresshormonen und ein geringeres Schmerzempfinden: Wie positiv sich ein Aufenthalt im Wald auf Psyche und Körper des Menschen auswirkt, konnte eine globale Studie vor kurzem zeigen.

Doch auch im Kampf gegen die Klimaerwärmung kommt Bäumen eine essenzielle Bedeutung zu. Neben ihrer Fähigkeit, CO2 zu speichern, sorgen sie in Kombination mit intaktem Waldboden dafür, dass Wasser zurückgehalten wird. Liegen gebliebenes Totholz fungiert wie ein Schwamm, was längere Dürreperioden abmildert, aber auch bei Starkregenereignissen Überschwemmungen verhindert. In der Stadt sorgen Schatten und Verdunstungseffekte durch Bäume dafür, dass die Oberflächentemperatur um bis zu 15 Grad und die Luft immerhin um mehrere Grade gekühlt werden kann. Durch Hitze und Trockenheit kommt der Wald stark unter Druck. Naturnahe Aufforstung, die Suche nach klimafitten Bäumen, aber auch das großflächige Monitoring aus dem All sollen die Situation verbessern.

9. Carbon-Capture – Treibhausgasintensive Industrie benötigt künftig CO2-Filter

Die Idee, CO2 wieder aus der Atmosphäre zu filtern, ist keine neue. Inzwischen gibt es auch erste Pilotanlagen. Wie soche Carbon-Capture-Projekte in Industrieanlagen implementiert werden können, bei denen besonders viele Treibhausgase emittiert werden, wird Forschung und Entwicklung in den kommenden Jahren jedenfalls noch beschäftigen.

Die effizienteste Möglichkeit, den CO2-Anteil in der Atmosphäre möglichst niedrig zu halten, bleibt freilich weiterhin, die Emissionen massiv zu reduzieren. So vielversprechend aktuelle Ansätze bei Carbon-Capture auch sind, haben sie dennoch klargemacht, dass die Technologie insbesondere dort sinnvoll eingesetzt werden kann, wo konzentriert viele Emissionen anfallen, die sich nicht so einfach vermeiden lassen.

Forschende arbeiten in diesem Kontext auch daran, das abgeschiedene CO2 zu einer wiederverwendbaren Ressource wie Methan umzuwandeln. Kohlenstoff könnte so zum Kreislaufprodukt werden.

10. Soziale Gerechtigkeit – Menschliches Grundbedürfnis als globale Herausforderung

In multikulturellen Gesellschaften wie auch in unserer globalisierten Welt spielt Gerechtigkeit auf vielen Ebenen eine zunehmend wichtige Rolle. Menschen sollen unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Alter, Bildungsgrad, Wohnort und finanziellen Mitteln über gleiche oder zumindest ähnliche Chancen und Lebensbedingungen verfügen. Dieser Ansatz fand auch Eingang in die UN-Nachhaltigkeitsziele, auch als Sustainable Development Goals bekannt. Diese umfassen drei Dimensionen von Nachhaltigkeit: Neben Wirtschaft und Umwelt gehört auch Soziales zu dieser Trias.

Bis 2030 sollen alle 17 Entwicklungsziele erreicht sein. Um diese Aufgabe zu stemmen, wird auch die Forschung eine zentrale Rolle spielen. Denn bis dato bestehen insbesondere zwischen Industrie- und Entwicklungsstaaten große Ungleichheiten. Diese betreffen grundlegende Menschenrechte ebenso wie die Klimagerechtigkeit, also die Aufgabe, Chancen und Lasten durch den Klimawandel gerecht zu verteilen.

Gewässer haben nicht zuletzt eine wichtige Erholungsfunktion für uns Menschen. Im Bild: Ein Kind in einer Hängematte bei Gran Sabana in Venezuela.
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11. Wasserkreisläufe – Die Menschheit stößt an planetare Grenzen des Wasserverbrauchs

Mehr als zwei Drittel der Erde sind mit Wasser bedeckt, doch was vom All aus wie eine ruhige Oberfläche aussieht, ist ein extrem dynamischer Kreislauf. Menschliche Aktivitäten wie Flussverbauungen, die Entnahme von Grundwasser oder die globale Erwärmung beeinflussen das weltweite Wassergeschehen zunehmend – mit komplexen, zum Teil unvorhersehbaren Folgen.

Die Veränderungen des globalen Wasserkreislaufes mit Starkregen, Überflutungen, aber auch Dürren zählen zu den deutlichsten Anzeichen des menschlichen Einflusses auf den Planeten. Umso wichtiger wird in den kommenden Jahren, aus den Erkenntnissen der Forschung zu lernen und Wasser nachhaltiger einzusetzen. Im Gegensatz zu anderen natürlichen Ressourcen wie Erdöl oder Kohle kann Wasser nicht ersetzt werden. Analog zum 1,5-Grad-Ziel zur Begrenzung der globalen Erwärmung berechnen Forscher daher, welche planetaren Grenzen es für die weltweite Wassernutzung gibt – und leiten daraus Empfehlungen ab.

12. Demografie – Die Weltbevölkerung könnte 2080 ihren Peak erreichen

Wenn die Berechnungen der Vereinten Nationen stimmen, dann wurde am 15. November des Vorjahrs die Acht-Milliarden-Marke der Weltbevölkerung erreicht. Wo genau der achtmilliardste Mensch geboren wurde, weiß man freilich nicht. Asien wäre aber nicht unwahrscheinlich – dort lebt nicht nur aktuell weit mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, mit Indien ist dort auch jenes Land vertreten, das in den kommenden Jahren am stärksten zum Bevölkerungswachstum beitragen wird.

Wie alt wird dieser achtmilliardste Mensch werden? Die aktuelle Lebenserwartung beträgt laut Uno im globalen Schnitt rund 71 Jahre, wobei Frauen im weltweiten Durchschnitt zurzeit eine um mehr als fünf Jahre höhere Lebenserwartung haben. 2050 wird dieser Wert nach Uno-Berechnungen 77,2 Jahre betragen.

Laut Schätzungen der Uno werden wir etwa 2080 ein Maximum von 10,4 Milliarden Menschen erreichen. Bis 2100 bleibt es in etwa bei diesem Wert, ehe die Zahlen sinken.

Ansätze der Gentherapie könnten Behandlungsmöglichkeiten für seltene Erkrankungen wie Muskeldystrophie eröffnen.
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13. Krebsforschung – Medizinische Fortschritte in Diagnostik und Behandlung

Dank Präzisionsmedizin, Immuntherapie und Fortschritten in der Genomforschung konnte die Krebsforschung in den vergangenen Jahren erstaunliche Erfolge erzielen: Sowohl die Diagnose als auch die Behandlung von Krebs konnten deutlich verbessert werden, wodurch die Überlebenschancen für Patientinnen und Patienten stark gestiegen sind.

Dennoch sterben Jahr für Jahr weltweit rund zehn Millionen Menschen an Krebs. Die Forschung entwickelt sich jedoch ständig, aktuell arbeiten Forschende an mehreren aussichtsreichen Ansätzen, um die Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten weiterzuverbessern. Beispielsweise soll künstliche Intelligenz künftig stärker eingesetzt werden, um genauere Diagnosen und personalisierte Therapien zu entwickeln. Die Immuntherapie wird weiterausgebaut, um das körpereigene Immunsystem zu mobilisieren. Ein neuartiger Ansatz basiert auf Nanopartikeln, die Krebszellen gezielt angreifen und Medikamente freisetzen.

14. Tierethik – Neue Forschung zu Intelligenz verändert unser Bild von Tieren

Es ist noch gar nicht allzu lange her, da hielt man Tiere für rein instinktgetriebene Wesen, die kaum zu eigenen Denkleistungen in der Lage sind und nicht einmal wirklich Schmerz empfinden können. Wie vollkommen falsch dieses Bild war, zeigen Forschungsergebnisse aus den vergangenen 50 Jahren immer detaillierter: Intelligenz ist im Tierreich weitverbreitet und Empfindungen wie Schmerz, Freude und Trauer sind kein menschliches Monopol.

Während die Forschung immer mehr über die erstaunlichen Fähigkeiten unterschiedlichster Tiergruppen herausfindet, werden ethische Fragen immer drängender: Unser Umgang mit anderen Spezies beruht vielfach auf längst überholten Ansichten. Gängige Praktiken in Nutztierhaltung, Fischerei und Fleischproduktion sind immer weniger haltbar und schaden noch dazu dem Klima. Debatten über unseren Umgang mit Tieren werden in den kommenden Jahren zunehmen – und dringend neue Antworten aus Wissenschaft und Gesellschaft erfordern.

15. Klimafolgen – Modelle liefern bessere Prognosen für Erde und Gesellschaft

Die Konsequenzen der globalen Erhitzung sind bereits spürbar. Das Bild, das sie zeichnen, ist düster: Das Klimasystem ist sensibler als bisher angenommen. Messungen zeigen, dass bisherige Modelle oft vergleichsweise vorsichtige Schätzungen lieferten. Außerdem gibt es bereits Fehlanpassungen an die Klimakrise, etwa Dammsysteme, die zwar steigende Meeresspiegel zurückhalten, aber Regenwasser kaum abfließen lassen. Die ärmsten Schichten der Gesellschaft leiden am stärksten unter Naturkatastrophen und anderen Klimafolgen. Solche sozialen Faktoren wie auch wirtschaftliche Aspekte werden immer besser erforscht.

Fachleute sind sich einig, dass die Folgen weiterhin hoher Emissionen wesentlich teurer werden als ein rasches Absenken. Das gilt auch für daraus resultierende soziale Unruhen. Verbesserte Modelle sorgen in den Sozial- und Naturwissenschaften dafür, dass das Klimasystem und komplexe Phänomene wie Luft- und Meeresströmungen besser verstanden werden.

16. Grüne Gentechnik – Neue Werkzeuge aus der Genetik revolutionieren die Landwirtschaft

Was heute als konventionell in der Pflanzenzucht gilt, ist eigentlich eine brachiale Form der Gentechnik: Um Eigenschaften zu verändern, werden Pflanzen radioaktiv bestrahlt oder chemisch behandelt – in der Hoffnung, zufällig nützliche Mutationen zu erzeugen. Doch die Wissenschaft verfügt längst über bessere Werkzeuge, die viel schnellere und präzisere Anpassungen erlauben, ohne sich im Ergebnis von natürlichen Mutationen zu unterscheiden.

Techniken wie die Gen-Schere CRISPR haben für eine nachhaltige Landwirtschaft enormes Zukunftspotenzial, gerade in Zeiten des Klimawandels und einer wachsenden Weltbevölkerung. Nährstoffreichere und dürreresistente Pflanzen werden dringend gebraucht, die grüne Gentechnik eröffnet hier große Chancen. Noch stößt sie aber insbesondere in Europa auf Skepsis in Politik und Gesellschaft. In der Pflanzenzucht wird Gentechnik aber immer wichtiger werden, die wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich nimmt rasant zu.

Ein neuer, noch genauerer Blick auf die Formation Säulen der Schöpfung durch das James-Webb-Weltraumteleskop wurde im Oktober des Vorjahrs veröffentlicht.
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17. Weltraumforschung – Neue Technologien eröffnen ein goldenes Zeitalter der Astronomie

Kaum ein Name ist in der Astronomie zuletzt so oft gefallen wie James Webb. Ein nach dem ehemaligen Nasa-Beamten benanntes Weltraumteleskop ist seit Ende 2021 im All und liefert Daten über unser Universum von unschätz barem Wert. Das Rekordteleskop, das nach dem Licht der ersten Sterne sucht und die Atmosphären ferner Exoplaneten analysieren soll, ist derzeit eines der besten Werkzeuge zur Erforschung des Alls. Und es ist in guter Gesellschaft.

Eine ganze Generation neuer Tele skope und Raumsonden verspricht Antworten auf große Forschungsfragen, die die Menschheit schon lange beschäftigen. Dank künstlicher Intelligenz lassen sich in den enormen wissenschaftlichen_Datenmengen auch immer mehr Details erkennen und interessante Entdeckungen aufspüren.

Indes laufen die Vorbereitung für die Rückkehr von Menschen zum Mond auf Hochtouren, diesmal soll eine dauerhafte Mondinfrastruktur entstehen – auch als Basis für tiefere Astronautenflüge ins All.

18. Meeresforschung – Rätselhafte Welt mit großem Einfluss auf den Menschen

Der Mensch weiß mehr über die Oberfläche des Mondes als über die Ökosysteme der Tiefsee, lautet ein in der Forschung oft vorgebrachter Satz. Schätzungen gehen davon aus, dass bisher nur rund fünf Prozent der Tiefsee erforscht sind. Schwer wiegt dieses Wissensdefizit in Anbetracht neuer Nutzungsansprüche wie des umstrittenen Tiefseebergbaus.

Der Schutz der Meere, der auch mehr Wissen über die submarine Welt erfordert, ist für die Menschheit aus vielen Gründen überlebenswichtig. Einerseits speichern die Ozeane gigantische Mengen CO2, andererseits produzieren sie rund die Hälfte des Sauerstoffs, den wir atmen. Doch die Weltmeere werden zusehends degradiert, Verschmutzung und Versauerung setzen den Wasserkörpern und ihren Bewohnern stark zu. Gleiches gilt für die Erwärmung der Ozeane, wobei der daraus folgende Meeresspiegelanstieg auch Küstenregionen und Inselstaaten bedroht. Nicht zuletzt deshalb, weil die marine Erwärmung auch Wetterextreme verstärkt.

19. Meteorologie – Präzisere Modelle sollen künftig auch Gewitter vorhersagen

Nie verfügte die Meteorologie über derart exakte und viele Daten wie heute. Satelliten, Wetterballons und Verkehrsflugzeuge sammeln unentwegt Informationen über die Atmosphäre. Neben Bodenmessungen werden Sensoren im Meer eingesetzt. Supercomputer verarbeiten täglich zig Millionen Datensätze. Und dennoch liegt die Wetterpro gnose gefühlt oft daneben.

Doch der Eindruck täuscht. Konnten Computermodelle vor einigen Jahrzehnten nur Stunden bis wenige Tage das Wetter vorhersagen, gelingt das mittlerweile bis zu zwei Wochen im Voraus – mit all den damit verbundenen Unsicherheiten. Die Kunst liegt eher darin, welcher der Modellverläufe als Basis für den Wetterbericht auserwählt wird. Dabei helfen kann künstliche Intelligenz. Um kleinräumige Ereignisse wie Gewitterzellen treffsicher prognostizieren zu können, sind aber noch präzisere Daten notwendig. Das europäische Vorhersagezentrum will die Atmosphäre bei seinen Messungen künftig in kleinere Einheiten aufteilen.

Den Zugang zu Bildung zu verbessern und die Qualität von Bildungsangeboten zu erhöhen, wird eine der zentralen globalen Herausforderungen für die kommenden Jahre bleiben.
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20. Bildungsforschung – Was Lernen und Lehren im KI-Zeitalter bedeuten

Der Mensch ist ein wissbegieriges und lernfähiges Wesen. Die Frage, wie man sich Wissen am besten aneignet, behält und daraus neue Erkenntnisse schafft, war bereits in den längst untergegangenen Hochkulturen Thema. Neurobiologische Forschung hilft uns zu verstehen, wie das Lernen im Gehirn funktioniert. Neben dem Wie ist und bleibt aber auch das Was eine strittige Frage.

Ob ein Bildungssystem, das ein Auswendiglernen von Jahreszahlen oder das Üben von Kopfrechnen vorsieht, im Computerzeitalter noch zeitgemäß ist, wird seit Jahren diskutiert. Das plötzliche Auftauchen leicht zugänglicher künstlicher Intelligenz, die in Form von Sprachmodellen wie ChatGPT auch das Schreiben von Aufsätzen, Seminararbeiten und Forschungsabstracts in Sekunden erledigt, stellt Lehrende auf der ganzen Welt auf die Probe. Sie müssen schleunigst neue Wege dafür finden, wie derartige Werkzeuge intelligent eingesetzt werden können, um Lernprozesse nicht nur zu erleichtern, sondern kreativ zu beflügeln. (Marlene Erhart, David Rennert, Julia Sica, Martin Stepanek, Tanja Traxler, 9.4.2023)