Eine künstlerische Darstellung eines Schwarzen Lochs, das einen sogenannten Jet ausstößt. Nun gibt es erstmals auch ein reales Bild davon.
Bild: S. Dagnello (NRAO/AUI/NSF)

Noch vor nicht allzu langer Zeit war unklar, ob Schwarze Löcher überhaupt existieren. Inzwischen ist sogar bekannt, dass die meisten Galaxien eines in ihrem Zentrum haben. Um sie dreht sich bei Galaxien in gewissem Sinn alles, mit ihrer Masse tragen sie dazu bei, die rotierenden Sterne und Gase zusammenzuhalten.

Zuweilen werden aus dem Zentrum von Galaxien große Mengen Materie in Form sogenannter Jets ausgestoßen. Diese können dabei extrem beschleunigt werden, sodass sie sich der Lichtgeschwindigkeit annähern und Effekte der Relativitätstheorie zum Tragen kommen.

Ihre Entstehung ist nicht zur Gänze geklärt. Man vermutet, dass es sich um einen Effekt jener Scheiben aus Materie handelt, die sich um Schwarze Löcher und andere große Massen bilden. Vor allem Schwarze Löcher bilden aufgrund ihrer starken Anziehungskraft solche mächtigen "Akkretionsscheiben".

Die ersten Bilder

Als 2019 erstmals ein Bild eines Schwarzen Lochs veröffentlicht wurde, zeigte es genau genommen diese Akkretionsscheibe, denn das Schwarze Loch selbst strahlt kein Licht ab und bleibt unsichtbar. Es ist auch eigentlich nicht der Ereignishorizont, der hier als dunkler Fleck sichtbar ist, denn jener ist noch ein gutes Stück kleiner.

Trotzdem war die Aufnahme des dunklen Flecks eine Sensation. Dazu mussten die Beobachtungsdaten eines weltumspannenden Netzwerks aus Teleskopen kombiniert werden. Die dafür verantwortliche Event-Horizon-Telescope-Kollaboration veröffentlichte 2022 außerdem ein Bild des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße. Bislang sind diese zwei supermassiven Schwarzen Löcher die einzigen, deren Akkretionsscheiben samt den dazugehörigen Schatten in der Mitte sichtbar gemacht werden konnten.

Das nun veröffentlichte Bild wurde aus Aufnahmen des Global Millimetre VLBI Array (GMVA), des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) und des Greenland Telescope zusammengesetzt. Der nun beobachtete Ring ist etwa 50 Prozent größer als bei der ersten Aufnahme von M87.
Foto: R.-S. Lu (SHAO), E. Ros (MPIfR), S. Dagnello (NRAO/AUI/NSF)

Neue Aufnahme des Schattens samt Jet

Nun wurde im Fachjournal "Nature" ein neues Bild des Schwarzen Lochs M87 – das als erstes dargestellt wurde – veröffentlicht. Und diesmal ist neben dem Schatten auch mehr von der Umgebung sichtbar, die einen Eindruck von den extremen Vorgängen um ein Schwarzes Loch vermittelt. Es ist das erste Mal, dass die unmittelbare Umgebung eines Schwarzen Lochs gemeinsam mit der ausgestoßenen Materie abgebildet werden konnte.

Damit wird sichtbar, wie der Jet mit der Akkretionsscheibe verbunden ist. "Die neue Aufnahme vervollständigt das Bild, indem es gleichzeitig die Region um das Schwarze Loch und den Jet zeigt", sagt Kim Jae-young von der Kyungpook National University in Südkorea, der am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn arbeitet und einer der Autoren der neuen Studie ist.

Überraschende Form

Die Form des Schattens ist allerdings eine Überraschung. Bei dem ersten Bild von M87 aus dem Jahr 2019 war der Ring noch kleiner und dünner. Diesmal betrug der Durchmesser des schwarzen Flecks etwa das Vierfache des Ereignishorizonts. Damit war er um rund die Hälfte größer als bei dem ersten Bild, das allerdings bei anderen Wellenlängen aufgenommen wurde. "Um den physikalischen Ursprung des größeren und dickeren Rings zu verstehen, mussten wir mithilfe von Computersimulationen verschiedene Szenarien testen", erzählt Keiichi Asada von der Academia Sinica in Taiwan.

Die Interpretation der Forschenden lautet, dass deutlich mehr Material in das Schwarze Loch fallen dürfte als bisher angenommen.

Eine schematische Darstellung eines Schwarzen Lochs mitsamt seinem Jet.
Bild: ESO

Netzwerk aus Teleskopen

Bei diesen Aufnahmen war, wie schon für das Bild von 2019, eine möglichst weitläufige Verteilung der Einzelteleskope wichtig. Die einzelnen Beobachtungspunkte simulieren ein viel größeres Radioteleskop. Diesmal waren neben dem aus 66 Radioantennen bestehenden Atacama Large Millimeter/submillimeter Array, kurz Alma, und dem Greenland Telescope auch Teleskope eines Netzwerks namens Global Millimetre VLBI Array, kurz GMVA, beteiligt, welches aus Teleskopen in Spanien, Deutschland, Schweden sowie neun US-Teleskopen besteht. Die Beobachtungen stammen aus dem Jahr 2018 und waren erst jetzt zur Veröffentlichung bereit.

Besonders wichtig sei das Alma-Teleskop gewesen, berichtet das Team. Es liegt auf der Südhalbkugel und ergänzte das GMVA-Netzwerk, das eine Ost-West-Ausrichtung hat. "Dank des Standorts und der Empfindlichkeit von Alma konnten wir den Schatten des Schwarzen Lochs sichtbar machen und gleichzeitig einen tieferen Blick auf die Emission des Jets werfen", zeigt sich Ru-Sen Lu vom Shanghai Astronomical Observatory zufrieden.

Nicht jede Galaxie hat Spiralarme. Die 55 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie Messier 87 wurde bereits 1781 entdeckt, aber erst im 20. Jahrhundert als Galaxie identifiziert. Sie hat etwa die doppelte Masse unserer Milchstraße. Diese Aufnahme stammt vom Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte. Rechts vom Zentrum ist ein Jet sichtbar.
Foto: ESO

Messier 87 entwickelt sich zum bevorzugten Studienobjekt für die Forschung an Schwarzen Löchern. Das liegt nicht nur an seiner Größe von 6,5 Milliarden Sonnenmassen, die es groß genug für die Beobachtung von der Erde aus machen. Messier 87 liegt im Nachthimmel zudem fast genau über dem Äquator, kann also von großen Teilen der Nord- und Südhalbkugel der Erde aus gesehen werden.

Simultane Aufnahmen in mehreren Wellenlängen

Das nun veröffentlichte Bild soll erst der Anfang sein, wenn es nach dem Forschungsteam geht. "Wir planen, die Region um das Schwarze Loch im Zentrum von M87 bei verschiedenen Radiowellenlängen zu beobachten, um die Emission des Jets weiter zu untersuchen", sagt Eduardo Ros vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Vor allem dann, wenn diese Aufnahmen gleichzeitig gemacht werden, könnten sie mehr über die Entstehung der Jets enthüllen. "Die kommenden Jahre werden spannend, denn wir werden mehr darüber erfahren, was in der Nähe einer der geheimnisvollsten Regionen des Universums passiert", sagt Ros. (Reinhard Kleindl, 26.4.2023)