Der Mondlander Hakuto-R hätte – freilich ohne menschliche Crew an Bord – Ende April sanft auf der Mondoberfläche aufsetzen sollen. Stattdessen dürfte er beim Landemanöver zu Bruch gegangen sein.
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Drei bedeutsame Weltraumprojekte durchliefen im April wichtige Phasen, doch in zwei Fällen kam es zu großen Problemen. Der "Mondhase" Hakuto-R des japanischen Unternehmens Ispace hätte die erste kommerzielle Mission sein sollen, die auf der Mondoberfläche landet – doch stattdessen brach der Kontakt ab, die Landung gilt als gescheitert. Und die bisher größte und leistungsfähigste Rakete, das Starship der US-Firma Space X, explodierte relativ kurz nach dem Abheben. Immerhin verlief der Start der europäischen Juice-Mission, die in einigen Jahren am Jupiter vorbeifliegt, erfolgreich.

Die Misserfolge sorgen für Verspätungen in bisherigen Missionsplänen, die beteiligten Teams eruieren, was schiefgelaufen ist und wie die Fehler beim nächsten Mal korrigiert werden können. Angesichts früherer gelungener Mondlandungen seit den 1960er-Jahren, menschliche Raumfahrer inklusive, stellt sich die Frage: Weshalb ist es heute so schwierig, unbeschadet auf der Oberfläche des Erdtrabanten anzukommen?

Takeshi Hakamada, CEO von Ispace, war beim Live-Event zur geplanten Mondlandung sichtlich bedrückt.
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"Was das Landen auf dem Mond so schwierig macht, ist die Anzahl der zu berücksichtigenden Variablen", sagt Stephen Indyk, Direktor für Raumfahrtsysteme des US-Raumfahrtunternehmens Honeybee Robotics, gegenüber dem wissenschaftlichen Fachmagazin "Nature". Anders als in weiten Teilen der Erde gibt es auf dem Mond etwa sehr viel Staub, noch dazu ist die Atmosphäre – sofern man von einer solchen sprechen will – sehr dünn und die Schwerkraft geringer. Etwa zehn Trillionen Moleküle stecken auf der Erde in einem Kubikzentimeter Luft, zumindest auf Höhe des Meeresspiegels. Diese Zahl mit 19 Nullen hinter der Eins ist wesentlich größer als die Anzahl der Moleküle in der dünnen Mondatmosphäre. Dort sind es etwa eine Million Moleküle pro Kubikzentimeter. Das würde auf der Erde bereits ein passables Vakuum hermachen.

Treibstoff ging zur Neige

Aktuellen Informationen zufolge betrug die Sinkgeschwindigkeit des Mondlanders Hakuto-R gegen Ende etwa 30 Kilometer pro Stunde und nahm kurz vor der Landung sogar rasch zu. Ispace berichtet, dass die geschätzte verbleibende Treibstoffmenge den unteren Grenzwert erreicht hatte. Kurz danach brach die Kommunikation ab. Womöglich wurde das Abbremsen also durch fehlenden Treibstoff erschwert und es kam zu einer "harten Landung".

Um die zahlreichen Variablen jeweils eingrenzen zu können, müssen die Ingenieurinnen und Ingenieure die Landesituation und die Interaktion mit der Umgebung abschätzen. Und: "Es sind Tests, Tests und nochmals Tests erforderlich, um das Landungssystem in möglichst vielen Szenarien zu testen", sagt Indyk. Doch die Tests sind teuer und entsprechend schwierig abzuwägen, wie viele vonnöten sind, bevor die Mission startet. Und selbst nach der ganzen Testerei "ist nichts garantiert", sagt der Raumfahrtexperte.

Überschaubare Teams

Im Fall von Ispace steckt dahinter ein Unternehmen mit nur rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Bei der israelischen Organisation Space IL, die 2019 als erstes privates Unternehmen mit dem Lander "Beresheet" auf dem Mond aufsetzen wollte, war das Team hinter dem Projekt noch kleiner: 30 Personen zählten dazu. Entsprechend sind auch die Kapazitäten stärker limitiert als bei staatlichen Programmen mit gutem finanziellen Polster.

Ispace ist dankbar für die Unterstützung und will die Daten zur Vorbereitung künftiger Mondmissionen nutzen.

Bisher gelang es den USA, Russland (beziehungsweise der Sowjetunion) sowie China, sanft auf dem Mond aufzusetzen – also nur staatlichen Raumfahrtprogrammen. Während die staatlichen Agenturen von jedem Landeversuch lernen konnten, werde heute von den privaten Firmen erwartet, die Erfolge ohne dieselben Erfahrungen und staatliche Ressourcen zu wiederholen, sagt Indyk: "Das ist viel verlangt von einem privaten Unternehmen, das es gleich beim ersten Versuch richtig machen soll."

Historische Landungen

Den Beginn machte im Jahr 1959 die Sowjetunion mit der Bruchlandung von Luna 2, die damit jedoch zum ersten menschengemachten Objekt auf dem Mond wurde. Es folgten in den 1960er-Jahren etliche weitere Crashes, bevor die Großmächte des "Space Race" – die Sowjetunion und die USA – 1966 sanfte Landungen zustande brachten.

Erstmals landete im Juli 1969 ein Raumschiff mit Crew auf dem Mond, die US-Amerikaner waren diesmal schneller und ließen Neil Armstrong als ersten Menschen auf der Mondoberfläche spazieren. Doch ab der Hochphase tat sich wenig. Vonseiten der europäischen Raumfahrtorganisation Esa gab es bisher keine "richtigen" Landeversuche, lediglich der Mondorbiter Smart-1 kam – in einem geplanten Crash – 2006 am Ende seiner Arbeitszeit zur Mondoberfläche.

China ist die dritte Nation auf dem Mond und stellte (im Bild rechts) die eigene Flagge auf.
Foto: Xinhua / Imago / CNSA

Erst die chinesische Chang'e-3-Sonde schaffte es 2013 wieder mit einer geplanten und sanften Landung dorthin, mit dem Mondrover Jadehase, der wie Hakuto-R nach dem mythologischen "Hasen im Mond" benannt wurde. Nachfolger Chang'e 5 schickte Mondproben zurück zur Erde. Hingegen zählten die ersten Versuche Indiens, im Zuge der Chandrayaan-Missionen auf dem Mond zu landen, zu den Crashes der vergangenen Jahre.

Landemanöver besonders schwierig

Neben den zahlreichen Variablen und den Testerfahrungen ist auch die automatische Landung ein Problem der Missionen ohne Crew. Ohne GPS-System zur Orientierung muss die Software auf den letzten Kilometern vor dem Touchdown auf kurzfristige Veränderungen reagieren können. Dazu kann die Bedeckung von Sensoren durch Mondstaub gehören, was womöglich die private Beresheet-Mission behinderte.

Ein weiterer Versuch, die erste private Sonde sicher auf die Mondoberfläche zu bringen, könnte bereits im Juni unternommen werden. Dann will laut aktuellem Plan das US-Unternehmen Intuitive Machines mit dem Lander Nova-C sein Glück versuchen. Der Start des Astrobotic-Versuchs, der für Mai angesetzt war, dürfte sich wieder verzögern.

Verschobene Zeitpläne

Auch andere Missionen müssen ihren Zeitplan nach den Rückschlägen für Ispace und Space X anpassen. Dass noch Ende dieses Jahres die private "Dear Moon"-Mission abhebt, mit der ein japanischer Milliardär in Begleitung von Kunstschaffenden auf eine Reise um den Mond geschickt werden soll, gilt mittlerweile als höchst unwahrscheinlich. Artemis 2 dürfte frühestens 2024 starten – mithilfe der Trägerrakete Space Launch System (kurz SLS) und der Raumfähre Orion MPCV. Ein Gefährt des Starship-Projekts könnte bei Artemis 3 zum Einsatz kommen und zwei Personen vom Raumschiff zur Mondoberfläche bringen – womit erstmals nach mehr als 50 Jahren wieder Menschen auf dem Mond landen würden.

Trotz der Crashes und der folglichen Verzögerungen gelten die unplanmäßig verlaufenen Missionen im April nicht als völlige Misserfolge – immerhin stellen sie umfangreiche Tests dar, mit denen viele wichtige Daten zur Verbesserung gewonnen wurden. Das Spaceship habe immerhin "unglaubliche Ausmaße", sagt Werner Magnes vom Institut für Weltraumforschung (IWF) der Akademie der Wissenschaften in Graz. "Das ist schon eine große Leistung." (sic, 3.5.2023)