Im Gastkommentar schreibt der ehemalige Präsidialchef des Kanzleramts Manfred Matzka darüber, wie man die Verwaltung sinnvoll umgestalten müsste.

Serie: Österreich braucht dringend eine Kurskorrektur. Korruption sowie Freunderl- und Parteienwirtschaft widern die Menschen zunehmend an. Was müsste geschehen, wer muss aktiv werden und wie? In der Serie "Das nächste Österreich" widmet sich DER STANDARD drängenden Fragen zur Zukunft unseres Landes.
DER STANDARD

Die systematische Korrumpierung der Verwaltung beschäftigt derzeit Gerichte und Ausschüsse. Das findet großes Interesse, ist aber rückwärtsgewandt. Ebenso großes Interesse verdient die Frage, wie man derartigen Missständen vorbeugen kann. Das ist die zukunftsgerichtete Perspektive und gleichzeitig eine To-do-Liste der nächsten Bundesregierung(en) zur Wiedergewinnung des verspielten Vertrauens in unser politisch-administratives System.

Vieles kann rasch gestaltet werden, wenn man nur will:

Beginnen wir mit dem wirtschaftlich größten Brocken: Förderungen und Transferzahlungen gehören in die Hand der dem Parlament voll verantwortlichen staatlichen Ämter und dürfen nicht an selbstgebastelte Einrichtungen ausgelagert werden. Das Beispiel der Cofag zeigt deutlich, welches Missbrauchspotenzial für die gezielte Überförderung der eigenen Klientel da droht, und wir werden verschleudertes Geld hier auch nicht mehr wieder zurückholen können. Es ist nicht das einzige Beispiel: Die jämmerliche Performance der Energiebonusabwicklung war im kleineren Rahmen derselbe Fehler.

Illustration: Fatih Aydogdu

Setzen wir fort bei den so augenfälligen Postenmacheloikes: Es muss inhaltlich glasklare Ausschreibungen aller Führungsfunktionen geben, nicht auf Wunschkandidaten zugeschnitten, transparente Prozesse im Auswahlverfahren, Begründungen für jede Entscheidung. Am besten ist ein System, das schon andere Staaten mit Erfolg praktizieren: Der Minister hat völlig freie Hand, welche fachlichen Anforderungen in die Ausschreibung aufzunehmen sind; wer diese Anforderungen am besten erfüllt, das entscheidet aber eine unabhängige Stelle, die das begründen muss. Der Minister hat dieser Beurteilung zu folgen oder muss öffentlich erklären, warum er nicht folgen will.

Lädierte Strukturen

Nehmt die Lädierungen der Verwaltungsstruktur wieder zurück: Als Allererstes bedeutet dies die Beseitigung der systemfremden Institution "Generalsekretär". Sie ist die Drehscheibe politischer Interventionen bei Verwaltungsabläufen, die Einflussschleuse fachlicher Inkompetenz in Sachentscheidungen, der Treibriemen für Liebedienerei und blinden Gehorsam im Amt, die Abrissbirne von Motivation und Engagement der Experten, der Mineur des Legalitätsprinzips der Verwaltung. Dass immer mehr Ressorts bereits jetzt auf sie verzichten, ist ein gutes Zeichen.

Genauso wichtig ist eine Totalreform der Ministerbüros. Hier können die Regelungen der EU als Vorbild gelten: Die Zahl der Referenten ist auf sechs zu begrenzen, die Hälfte davon muss aus dem Haus kommen, es sind Qualifikationen zu verlangen und nachzuweisen, ein Hineinhieven von Ministersekretären in Führungsetagen der Verwaltung ist zu unterbinden, Doppelfunktionen im Kabinett und in der Linie darf es nicht geben, Kabinettler sind nicht besser zu bezahlen als die Beamten.

"Beamte dienen dem Staat und nicht dem Minister."

Die Minister müssen sich verpflichten, persönlich mit ihren Sektionschefs zu arbeiten, umgekehrt brauchen diese das Recht, direkt mit dem Minister zu reden. Es muss das gegenseitige Rollenverständnis klar sein und auch kontrolliert beziehungsweise sanktioniert werden: Die Spitzenbeamten haben keine Politik zu machen, und die Politiker haben nicht das operative Geschäft zu führen. Beamte dienen dem Staat und nicht dem Minister.

Wenn wir schon bei Bewusstseinsbildung und Verwaltungskultur sind: Alle müssen alles tun, um das Primat der Rechtsstaatlichkeit vor der politischen Opportunität sicherzustellen. Das verlangt viele Detailmaßnahmen – Investitionen in die Fachausbildung der Verwaltungsleute, bessere Legisten, Demut der Regierung gegenüber dem Parlament, selbstverständliche Achtung der Entscheidungen der obersten Gerichte, Sorgfalt bei der Gesetzesproduktion.

"Die in den Ablagen des Parlaments schimmelnden Gesetzesentwürfe zur Aufhebung des Amtsgeheimnisses und zur Informationsfreiheit sind zu beschließen."

All das muss sich in einer transparent gemachten Welt abspielen: Die in den Ablagen des Parlaments schimmelnden Gesetzesentwürfe zur Aufhebung des Amtsgeheimnisses und zur Informationsfreiheit sind zu beschließen. Alle Vorgänge und Entscheidungen der Verwaltung sind aktenmäßig zu dokumentieren. Da ist es auch notwendig, dass wieder aussagekräftige Ministerratsprotokolle geführt werden. Die Ministerbüros sind in vollem Umfang in das elektronische Aktensystem einzubinden.

Damit niemand in Versuchung gerät, durch trickreiche Konstruktionen die Kontrolle des Parlaments und der Öffentlichkeit auszuhebeln, ist den parlamentarischen Ausschüssen das Recht zu geben, von den Chefs der großen staatlichen Unternehmungen bei Bedarf direkt Rede und Antwort überall dort zu fordern, wo der Minister die Beantwortung von Anfragen damit abschmettert, dass er die Entscheidungen des Managements der Unternehmung ja nicht getroffen hat.

Nicht nur Rhetorik und PR

Was absolut nicht schadet, ist ein Regierungsprogramm mit klar beschriebenen Zielen, aus dem Zeitpläne und Maßnahmen abgeleitet werden (durch die Minister selbst oder eine professionelle Organisation wie etwa in der Schweiz durch die Bundeskanzlei); daraus sind Jahres- und Ressortpläne zu destillieren. Die Erfüllung des Programms muss einem Monitoring unterliegen, das auch die Wirkungen der Maßnahmen ständig und seriös evaluiert.

Wenn die Parteien noch ein Übriges beitragen wollen, dann sind sie aufgefordert, ihre "High Potentials" gründlich zu schulen: nicht nur in Rhetorik und PR, sondern auch inhaltlich darin, wie man öffentliche Dienstleistungseinrichtungen (etwa ein Ministerium) führt, was Public Management bedeutet, wie man die Potenziale in Organisationen hebt, wie man sich an der Spitze anständig verhält, wie man durch gute Arbeit Vertrauen gewinnt, was Governance ist. Und sollte man nur Menschen mit politischen Spitzenfunktionen betrauen, die bereits vorher etwas in ihrem Beruf geleistet haben, also nicht existenziell darauf angewiesen sind, einen Sessel zu behalten, wäre das auch kein Schaden.

Wie schon eingangs gesagt: Gar so schwierig ist keiner dieser Schritte in eine bessere Zukunft. (Manfred Matzka, 13.11.2022)