Mario Ferri wurde bei seinem Platzsturm von Sicherheitsleuten unsanft gestellt.
Foto: IMAGO/PA Images

Pro: Groteske Zensur

von Lukas Zahrer

Die Fifa will nur TV-Bilder aussenden, die ihr und wohlgesinnten Autokraten gefallen. Es war klar, dass die internationale Bildregie hastig auf eine Nahaufnahme des Schiedsrichters wechselte, als Mario Ferri in einem Gruppenspiel am Montag auf den Platz lief und Solidarität mit der Ukraine, mit den Frauen im Iran und mit der LGBTQ-Community bekundete. Das gehört zur Message Control des Fußball-Weltverbands.

Möchte die Fifa als selige, überpolitische Institution angesehen werden, die Präsident Gianni Infantino gerne postuliert, sollte sie diese Zensur unterlassen. Wenn das Spiel wegen eines Flitzers unterbrochen wird, erklären Reporterinnen und Reporter der übertragenden Sender ohnehin, was auf dem Feld passiert. Falls sie aus dem Stadion kommentieren, dann umso detaillierter. Ein Ausblenden ist nicht nur irreführend, es erhöht sogar das Interesse an der eigentlichen Aktion.

Zuseherinnen und Zuseher bekommen mit, was passiert; da scheint es grotesk, die Bilder nicht zu zeigen. Zumal Ferri mit seiner Botschaft keinesfalls gegen die Werte der Fifa verstieß. Das Argument, man würde beim Zeigen der Bilder Nachahmer motivieren und hervorrufen, hinkt: Auf Fotos und Aufnahmen in sozialen Medien ist ohnehin zu sehen, dass Ferri alles andere als sanft gestoppt wurde.

Football unites the world, lautet der aktuell prominenteste Slogan der Fifa. Der Fußball verbindet die Welt. Der Grundsatz scheint nur zu gelten, wenn man die lukrative Show der Fifa nicht stört. (Lukas Zahrer, 30.11.2022)

Kontra: Geliefert, aber nicht bestellt

von Sigi Lützow

Profifußball ist Showbiz, gewiss. Er ist aber sicher keine Stegreifbühne für Laiendarsteller und soll auch nicht zur leicht zu enternden Plattform für Selbstdarstellerinnen aller Art verkommen.

Bei aller Sympathie für Mario Ferri, der mit seinem Lauf übers Spielfeld während des WM-Duells zwischen Portugal und Uruguay weit mehr riskiert hat als ohnehin sakrosankte Fußballstars wie Manuel Neuer, um seine Botschaften und wohl auch Überzeugungen in die Welt zu tragen. Sie sind angekommen, obwohl die Regie gemäß den Anweisungen des Rechteinhabers die TV-Bilder nicht zeigte.

Die Geschichte des Flitzens lehrt aber, dass die Beweggründe der Flitzerinnen und Flitzer ganz selten hehre sind, zumeist sind sie sehr banal, manchmal dreist, nicht selten einfach vulgär. Den Flow eines Spiels stören, um eine Wette vor aller Öffentlichkeit auszutragen, seinen Geltungsdrang auszuleben, für einen Pornokanal zu werben oder schlicht Kontakt mit seinem Idol zu erhaschen ist ebenso kein Menschenrecht, wie Bilder davon geliefert zu bekommen.

Die Hochzeit des Flitzens ist vorbei. Und das ist auch aus Sicherheitsgründen ganz gut so. Das konsequente Ausblenden der nicht bestellten Action hat das Seine dazu beigetragen. Wer hier Schleusen öffnet, wird den Fluten nicht mehr Herr werden. (Sigi Lützow, 30.11.2022)