Das kleine Raumschiff Biosentinel transportiert lebendige Hefezellen.
Bild: Nasa / Daniel Rutter

Die Mission Artemis I wurde mit der Rückkehr der Orion-Raumkapsel zur Erde erfolgreich beendet. Doch war sie nicht das einzige Projekt, das vor einem Monat, am 16. November, endlich abhob: Mit derselben SLS-Rakete machte sich auch der kleine Satellit Biosentinel auf den Weg. Er hat lebendige Organismen an Bord – genauer gesagt: Hefezellen –, die Aufschluss darüber geben sollen, wie Weltraumstrahlung Zellen verändert.

Dabei wurde nun ein neuer Rekord aufgestellt: So weit haben sich Lebewesen bisher noch nie von der Erde entfernt. Mehr als 1,5 Millionen Kilometer Distanz hat Biosentinel mittlerweile erreicht, wie die Nasa berichtet. Wohlgemerkt geht es dabei um Zellen, die sich weiterhin teilen und nicht abgestorben sind.

Tote Bakterien und andere Mikroorganismen dürften sich sehr wohl in quasi allen ins All beförderten Raumfahrzeugen befinden. Den weitesten Weg legte bisher die 1977 gestartete Voyager 1 zurück, die derzeit knapp 24 Milliarden Kilometer (oder rund 22 Stunden Reise in Lichtgeschwindigkeit) von der Erde entfernt ist. Manche Lebensformen – wie die äußerst widerstandsfähigen Bärtierchen – können auch ein Dauerstadium ausbilden und unter besseren Umständen "wiederbelebt" werden.

Abseits des schützenden Magnetfelds

Bei Biosentinel geht es allerdings um tatsächlich lebende Zellen. In dem Schuhkarton-großen Satelliten befindet sich Hefe, wie sie auch zum Brauen von Bier und zum Backen von Brot verwendet wird. Am 5. Dezember empfing die Raumfähre für winzige Passagiere aus dem Ames Research Center der Nasa in Kalifornien das Startsignal: Seitdem laufen die ersten biologischen Langzeitexperimente fern der Erde, die für insgesamt fünf bis sechs Monate angesetzt sind.

Derartige Experimente fanden bisher nur auf der internationalen Raumstation ISS statt, die "nur" in rund 400 Kilometern Höhe um die Erde fliegt. Bei den weit entfernten Experimenten wird analysiert, wie die Hefezellen auf kosmische Strahlung reagieren. Diese ist abseits des schützenden Magnetfelds der Erde so stark, dass sie in der Erbsubstanz DNA massive Schäden verursacht. Nicht alle können von den natürlichen Reparaturmechanismen der Zellen korrigiert werden.

Farbcode für Hefeaktivität

Die Erkenntnisse aus den Experimenten werden die menschliche Raumfahrt beeinflussen: Sie können dabei helfen, das Gesundheitsrisiko bei künftigen Reisen zum Mars einzuschätzen und passende Sicherheitsmaßnahmen zu entwickeln. Denn die DNA-Reparatur funktioniert bei Hefe und Mensch auf ähnliche Weise.

In dieser Karte befinden sich Hefezellen – Saccharomyces cerevisiae – in einem Nährmedium. Pinke Farbe deutet darauf hin, dass die Hefe wächst, blaue Farbe zeigt, dass die Zellen nicht aktiv sind.
Foto: Nasa / Dominic Hart

Praktischerweise lässt sich die Aktivität der Hefe in diesen Experimenten an der Farbe des Mediums, in dem sie sich befindet, ablesen. Ein LED-Erkennungssystem im Satelliten erfasst die Daten, die – zusätzlich zur Stärke der Strahlung und Stoffwechselinformationen – an das Forschungszentrum in Kalifornien übermittelt werden. Von dort gibt das Team per Fernsteuerung auch das Kommando für den Start unterschiedlicher Testreihen. Zwei Stämme der Hefezellen konnten bereits mit ihrem Wachstum beginnen, sobald Biosentinel den Schutz des Erdmagnetfelds Anfang Dezember hinter sich gelassen hat. Nun befindet sich der Satellit auf einer Umlaufbahn um die Sonne.

Aufenthaltsort in Echtzeit

Die beiden ersten Stämme unterscheiden sich in einem wichtigen Merkmal: Während es sich bei dem einen um natürlich vorkommende Hefe handelt, hat der zweite Stamm Probleme mit der DNA-Reparatur. So kann der Einfluss der Weltraumstrahlung auf diesen Mechanismus – und wann die Strahlung zum Abbruch der Zellaktivität führt – verglichen werden. Manche Testreihen werden gestartet, sobald ein Sonnensturm den Satelliten trifft. Diese magnetischen Stürme würden ein besonders hohes Risiko für Crewmitglieder darstellen, die eines Tages fern der Erde unterwegs sein könnten.

Zum gleichen Zeitpunkt wurden übrigens auch weitere Vergleichsstudien auf der ISS und der Erde gestartet. Wie es den Zellen ergangen ist, wird wohl erst am Ende der Mission mit der Öffentlichkeit geteilt. Immerhin kann man aber die Reise des Satelliten in einer virtuellen Simulation seiner Route in Echtzeit mitverfolgen. (Julia Sica, 16.12.2022)

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