Wien – Um 9.09 Uhr schritt eine Frau mit blond gefärbten Haaren fast unscheinbar seitlich an den Sitzreihen vorbei in die Mitte des des Großen Schwurgerichtssaals des Wiener Straflandesgerichts. Es war die Mutter des Jihadisten K. F., der am 2. November 2020 bei einem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt vier Menschen getötet und viele weitere verletzt hat. Am Mittwoch sagte sie als Zeugin aus.

Sie beschrieb einen Sohn, der für seine Mutter offenbar kaum greifbar und durchschaubar war. Mit dem sie auch durchaus schwer gehabt haben dürfte, etwa als er seine Mutter als "Ungläubige" bezeichnet habe, weil sie kein Kopftuch trage. Der aber kurz vor dem Anschlag "netter und zuvorkommender" geworden sei, wie die 47-Jährige erzählte.

Burak K., der "schlechte Einfluss"

Da habe sie ein "sehr gutes Verhältnis" zu ihrem Sohn gehabt. Trotz eigener Wohnung sei er damals regelmäßig bei seinen Eltern daheim gewesen. Hinterfragt habe das die Mutter nicht: "Ich habe mich gefreut, dass er bei uns war." In dieser Zeit dürfte sie trotzdem nicht viel von ihrem Sohn mitbekommen haben. "Wenn er zu Hause war, hat er bis spät in die Nacht trainiert", erzählt die Mutter. Wenn sie zur Arbeit gegangen war, habe K. F. geschlafen. Danach sei er in der Regel unterwegs gewesen.

Die Mutter zeigte sich überrascht, dass der Freundeskreis ihres Sohnes offenbar größer war als gedacht. Das habe sie aus den Medien erfahren. Sie habe nur von zwei Namen gewusst. Konkret von den beiden Angeklagten Burak K. (24) und Ismail B. (22). Von Ersterem habe die Frau ihren Sohn ein Stück weit fernhalten wollen, indem sie K. die Übernachtung in ihrer Wohnung verwehrt habe. Den Freund ihres Sohnes bezeichnete sie als "schlechten Einfluss". Burak K. und K. F. wollten schließlich 2018 gemeinsam nach Syrien ausreisen, um sich den IS-Terroristen anzuschließen. Das scheiterte, und die beiden wurden deshalb verurteilt.

Ein Urteil für die sechs Hauptangeklagten im Wiener Terrorprozess soll spätestens Anfang Februar ergehen.
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Burak K. und Ismail B. wirft die Staatsanwaltschaft unter anderem vor, K. F. bei seinen Tatvorbereitungen unterstützt zu haben. Sie könnten die letzten Personen gewesen sein, die den Jihadisten vor dem Anschlag leben gesehen haben. Sie besuchten den späteren Terroristen noch vor seiner eigenen, kaum eingerichteten Wohnung, um ihm ein Buch vorbeizubringen, wie sie behaupten. Die Ermittler glauben eher, dass die jungen Männer bei K. F. anwesend waren, als dieser sein Bekennervideo aufnahm.

Glaubt die Mutter, dass ihr Sohn alleine für den Anschlag gesorgt hatte, oder könnten doch mehrere Leute involviert gewesen sein? "Ich glaube schon, dass jemand mitgeholfen hat", antwortet sie auf die Frage eines Geschworenen. "Alleine ist das schwierig." Beweisen könne sie das allerdings nicht. Die Mutter habe auch gewusst, dass zwischenzeitlich jemand in der Wohnung ihres Sohnes gelebt hatte. Dabei handelte es sich um den Angeklagten Heydayatollah Z., dessen DNA auf sämtlichen Waffen sichergestellt wurde.

Am Tag vor dem Terroranschlag habe die Mutter ihren Sohn schließlich zum letzten Mal gesehen. Er habe gesagt, dass er bei Burak K. übernachten wolle, sagt sie aus. Dann habe er ein Sackerl genommen und sei gegangen. Was da wohl drin gewesen sei? "Vielleicht ein Pyjama und eine Zahnbürste, ich habe es nicht genau gesehen", sagt sie. Jene Tasche, in der K. F. später die Tatwaffen versteckt hielt und damit in die Wiener Innenstadt zog, dürfte das allerdings nicht gewesen sein. (Jan Michael Marchart, 4.1.2023)