Elon Musk soll vor dem Europäischen Parlament aussagen. Doch was eigentlich?

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Seit der Übernahme durch Elon Musk kommt Twitter nicht zur Ruhe. Der neue Chef sprach Massenkündigungen aus, ließ das Design der Plattform umkrempeln, kündigte rigorose Sparpläne an, zahlt keine Rechnungen mehr und lässt nun sogar das Inventar versteigern. Musk nannte sich aber auch selbst den "Kreuzritter der Redefreiheit" und brachte unter anderem den gesperrten Account von Ex-Präsident Donald Trump zurück. Doch Musk ließ auch Accounts von Personen sperren, die sein Flugverhalten trackten, sowie von Journalisten, die unbequeme Fragen stellten. Diese Interpretation von Meinungsfreiheit sorgte im Europäischen Parlament für Besorgnis, die Plattform könnte Hassrede und Falschinformation befeuern. Die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, lud den Tech-Milliardär zu einem Gespräch mit den Europaabgeordneten ein.

Über eine Reaktion Elon Musks auf die Einladung ins EU-Parlament ist nichts bekannt, Musk ist schließlich nicht verpflichtet, sich den Fragen der Abgeordneten zu stellen, und das Plenum hat auch keine Mittel, den ehemals reichsten Menschen der Welt zu einer Aussage zu zwingen.

Deshalb droht die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und Kommissarin für Werte und Transparenz, Věra Jourová, Musk und seiner Plattformen mit Sanktionen, sollte sich Twitter nicht an die Vorschriften der Union halten. "Die Zeit des Wilden Westens ist vorbei", sagte Jourová gegenüber "Euronews Next" am Donnerstag auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos – zu dem Musk übrigens nicht eingeladen war.

Twitter drohen bis zu 500 Millionen Dollar Strafe

"Wir werden den Digital Services Act (DSA) haben. Wir werden den Verhaltenskodex als Teil dieser Gesetzgebung haben", sagte Jourová. "Nachdem Herr Musk Twitter mit seinem 'Absolutismus der Redefreiheit' übernommen hat, sind wir also auch die Beschützer der Redefreiheit."

Der DSA zieht vor allem darauf ab, Hassrede und Falschinformationen im Netz einzudämmen. So besteht für große Plattformen unter anderem die Verpflichtung, Hassrede innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Gleichzeitig sollen auch irreführende Websitedesigns verboten werden. All das steht unter der Androhung saftiger Strafen in Höhe von bis zu zehn beziehungsweise sechs Prozent des Jahresumsatzes. Diese Strafe könnte sich im Fall von Twitter mit einem ungefähren Jahresumsatz von etwa fünf Milliarden Dollar somit auf 300 bis 500 Millionen Dollar belaufen.

Unsere Botschaft war also klar: "Wir haben Regeln, die eingehalten werden müssen, andernfalls wird es Sanktionen geben", fügte Jourová hinzu.

Die EU-Kommissarin will Elon Musk also zur Einhaltung der noch zu schaffenden europäischen Spielregeln zwingen. Doch wie sehen Europapolitiker aus Österreich die Entwicklung von Twitter? Und welche Fragen haben sie an Musk, sollte der Milliardär dem Parlament Rede und Antwort stehen? DER STANDARD hat bei den Abgeordneten zum Europäischen Parlament nachgefragt.

ÖVP: Twitter muss sich an EU-Gesetze halten

Othmar Karas, Vizepräsident des Parlaments und Abgeordneter der ÖVP, pflichtet der Kommissarin bei und kritisiert Musks Verständnis von freier Rede. "Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und eine Grundlage für die liberale Demokratie, für die ich mich jeden Tag mit meiner politischen Arbeit einsetze. Meinungsfreiheit bedeutet aber nicht, gezielt oder unbewusst Hassreden, Verleumdungen, Fake News und Gewaltfantasien zu verbreiten", so Karas. "Wenn Twitter in Europa auf Dauer erfolgreich operieren will, muss es sich an die entsprechenden EU-Gesetze halten."

Scharfe Kritik an Musk vonseiten der SPÖ

Musks Verständnis von freier Meinungsäußerung, bei gleichzeitiger Sperre von kritischen Journalisten, löst bei der SPÖ Besorgnis aus. "Die Einhaltung von Presse- und Meinungsfreiheit ist nicht verhandelbar. Die Übernahme tat weder Twitter als Unternehmen gut noch dem freien Meinungsaustausch im Internet", erklärt Andreas Schieder gegenüber dem STANDARD. Der Europaabgeordnete zählt auf die Wirkung des DSA.

Grundsätzlich sollten Social-Media-Kanäle viel strenger öffentlich reguliert werden und nicht den Profitinteressen von privaten Unternehmen unterliegen, meint Schieder. "Das kann fatale Folgen haben." Gleichzeitig hofft der SPÖ-Abgeordnete, dass Elon Musks 44 Milliarden Dollar schwerer Kauf von Twitter eine Diskussion über gerechte Vermögensverteilung auslöse: "Niemand sollte ein derartiges Vermögen besitzen, um einfach eine Onlineplattform kaufen zu können." Grundsätzlich stelle sich die Frage, wie Musk Twitter führen und gleichzeitig die Meinungs- und Pressefreiheit schützen wolle.

FPÖ sieht Übernahme durch Musk positiv

Diametral anders kam der Kurswechsel bei Twitter bei den Freiheitlichen an. Für den Abgeordneten Harald Vilimsky hat Musk für ein Ende der Zensur bei Twitter gesorgt. "Es gefällt mir, dass er mit den Twitter-Files die Manipulation der Vergangenheit öffentlich macht", so Vilimsky gegenüber dem STANDARD. Die wachsenden Nutzerzahlen von Twitter seien ein Beweis, dass dies auch bei den Nutzern auf große Resonanz stoße.

Gamon: "Twitter ist furchtbar"

Claudia Gamon von den Neos hat hingegen eine Anregung für den Tech-Milliardär und will ihm strengere Spielregeln vorschlagen. Deshalb will die pinke Abgeordnete Musk fragen, wie er die europäische Gesetzgebung sieht und, ob das nicht ein Vorbild für die USA sein könnte. Generell hat Gamon wenig Freude mit Twitter, aber die Plattform ist im politischen wohl notwendig: "Twitter war immer schon immer furchtbar und bleibt furchtbar. Ich wünschte, ich müsste nicht so viel Zeit dort verbringen."

Wiener hat keine Fragen

Bei den Grünen lässt man die Einladung Musks ins Europaparlament und dessen Verständnis von Meinungsfreiheit unkommentiert. Europaabgeordnete Sarah Wiener wollte keine Stellungnahme abgeben. "Frau Wiener [möchte sich] lieber nicht zu dem Thema äußern", hieß es von einer Sprecherin. Auch mögliche Fragen an den Milliardär haben die Grünen nicht. (Peter Zellinger, 23.1.2023)