Die Frage, betonte der STANDARD-Poster oder die STANDARD-Posterin "Les Bourgeois" vergangene Woche, sei ernst gemeint: "Kann man laufen lernen? Bitte um (ernst gemeinte) Tipps bzw. Links":

Die Antwort kam im Forum postwendend: User oder Userin "Bedroomrocker" schrieb aus Berlin: "Laufgruppe suchen!" – und servicierte gleich weiter: "Diverse Marken und Stores bieten das an, hier in Berlin gibt's 20–25 Crews. In Wien kenn ich die Adidas Runners, Wemove, On hat glaube ich auch was. Die haben unterschiedliche Pacegruppen; und grade für Anfänger ist es in der Gruppe und mit Verbindlichkeit einfacher."

Danke dafür. Klarer und einfacher kann man kaum antworten.

Foto: Tom Rottenberg

Es ist ein Henne-Ei-Thema: Langgediente Läufer oder Läuferinnen im städtischen Umfeld können da in der Regel etliche Treffpunkte und Termine von fixen Gruppenläufen nennen. Mehr noch: Sie wissen meist nicht nur, welche Gruppe wie schnell und wie lange und mit welchem Anspruch auf welchem Terrain rennt, sondern auch, ob da "nur" gelaufen wird – oder auch Technik, Kraft und andere Details Thema sind. Ob es um den Spaß, allgemeine Ziele oder ums Trainieren für einen konkreten Bewerb geht. Und – das ist wohl das Wichtigste – wer da mit wem läuft. Weil Laufen auch ein sozialer Akt ist. Aber auch, weil manche Gruppenläufe "gebrandet" sind – und es Leute gibt, die mit sowas ein Problem haben.

Einsteiger und Anfänger kennen diese Infos häufig nicht.

Foto: early-birds.at

Den Fehler, etwas als allgemein bekannt vorauszusetzen, darf und sollte nämlich niemand machen: Unlängst fiel bei meinem Physiotherapeuten das Wort "Marathonschnürung". Ich erzählte, dass in "meinen" Gruppen die Hälfte der Leute noch nie gehört hatte, wozu und wie man das rätselhafte letzte Schuhband-Loch vieler Laufschuhe nutzen kann. Andere verdrehen nur die Augen. Der Physio – alles andere als ein Anfänger – lachte: "Ehrlich? Dieses letzte Loch ist mir seit jeher ein Rätsel."

Tags darauf tauchte in einer Firmenlauf-Whatsapp-Gruppe dann eine andere "Das weiß doch jeder"-Frage auf: "Was ist ein Lauf-ABC?" Die Fragestellerin bekommt online von einem Trainer, der anderswo lebt, Trainingspläne. Sie bezahlt dafür. Aber der Kundin "Lauf-ABC" nicht nur in den Plan zu schreiben, sondern zu erklären, schien dem guten Mann wohl zu banal.

Vielleicht ja auch, weil er weiß, dass man das – zumindest beim ersten Mal – besser gemeinsam macht. In einer Gruppe zum Beispiel.

Foto: www.leggou.vision

Deshalb kommt hier eine Liste, ohne Anspruch auf Vollständigkeit – und wissend, dass sich in diesem Bereich ständig und viel ändert. Etwa weil es die von "Bedroomrocker" erwähnten Adidas Runners in Wien momentan de facto nicht gibt. Oder Labels wie On oder Brooks zwar immer wieder zu Events bitten – aber (derzeit) keine regelmäßigen Lauftreffs anbieten. Und ich schlicht und einfach keine Ahnung habe, ob es Events wie etwa den Wiener Asics-Running-Club noch gibt. Aktualisiert werden die Einträge auf der Gruppenseite seit Jahren nicht – nur heißt das bei anderen Crews genau gar nichts. Weil man dort etwa über Newsletter oder Whatsapp- oder Signal-Gruppen kommuniziert.

Was da hilft: einfach fragen. Sowohl in Shops – als auch auf Verdacht unterwegs.

Foto: early-birds.at

Beginnen wir mit Läden zurechenbaren Laufgruppen. Der sonntägliche Weekly Long Run des Wemove-Runningstores startet jeden Sonntag um 8.30 Uhr bei der Mall in Wien-Mitte. Insgesamt kommen mitunter bis zu 70 Leute zusammen.

Gelaufen wird in vier unterschiedlich schnellen Tempo- und zwei Trailgruppen, die Routen werden vorab auf der Webseite kommuniziert. Mitlaufen kann jede und jeder, der sich 90 Minuten Laufen zutraut. Die Teilnahme ist kostenlos.

Es geht um "soziales" Laufen: Wer Technik, Intervalle und Ähnliches erwartet, ist hier falsch – findet hier dafür aber kompetenten Anschluss.

Foto: Weekly Longrun/Estzeru

Ähnlich verhält es sich mit den "Trailrockers": Der alle zwei Wochen bei der Wiener Hütte in Kaltenleutgeben startende Traillauftreff ist eng mit dem Liesinger Trail- und Laufschuhladen Traildog Running verbunden. Kunde oder Kundin zu sein, ist keine Voraussetzung. Es geht ums Laufen im Gelände – die meist 20 Teilnehmenden sind oft unterschiedlich schnell, aber selten blutige Trail-Anfänger. Zurückgelassen oder abgewiesen wird dennoch niemand.

Wenn wir schon beim Traillaufen in und um Wien sind: Trailrunning Vienna ist auch hochaktiv, offen für alle und bietet Einstiegshilfen. Doch während auf Facebook aktuelle Termine angekündigt werden, führt der angeblich neue Kalenderlink der Webseite ins Nirvana.

Foto: Traidlogrunning.at

"Hügelig", wenn auch nicht im freien Gelände geht es in zwei anderen Gruppen zur Sache: Weekly-Long-Run-Mastermind Stefan Langer lädt jeden Freitag um 7 Uhr morgens zu den Hügelintervallen der Belvedere Hills. Zu Füßen des Belvederes rennt man gemeinsam zehnmal den Anstieg zum Canaletto-Blick – und frühstückt danach einmal im Monat gemeinsam.

Noch kakanischer geht es seit mittlerweile fast sieben Jahren jeden Donnerstag um 6.30 Uhr morgens bei Jean-Marie Welbes Frühlauftreff Rollover Schönbrunn zu: Eine halbe Stunde lang "hügelt" man vom Neptunbrunnen hinauf zur Gloriette – und trabt nachher noch ein bisserl durch den Park. Gegen die Redundanz hilft das wöchentlich variierende Motto.

Foto: Tom Rottenberg

Wenn wir schon bei Morgenaktivitäten sind, liegt es nahe, hier die Early Birds vorkommen zu lassen: Weil es Dominik Kraihamer irgendwann ein wenig zu öd wurde, seine Morgenrunden mutterseelenallein zu laufen, begann der heute 33-jährige Wiener knapp vor den ersten Lockdowns Freunde zum Mitlaufen einzuladen.

Mittlerweile nennen sich die Early Birds stolz Urban Movement – und das nicht ohne Grund: Obwohl aus der Early-Birds-App rausfliegt, wer über 14 Tage inaktiv ist, sind dort derzeit über 700 Menschen registriert, die regelmäßig an den in Wien um 6.30 Uhr startenden Laufsessions am Montag, Mittwoch oder Freitag teilnehmen.

Wenn da – am Montag – bis zu 50 Nasen gemeinsam um den Ring fetzen, macht mich das sprachlos: Meine ersten regelmäßigen Ring-Morgenruden bin ich vor zehn oder zwölf Jahren gelaufen. Mehr als fünf andere Laufende traf ich dabei fast nie.

Foto: early-birds.at

Aber Obacht: Bei den frühen Vögeln wird nicht nur gelaufen, sondern (tagesspezifisch unterschiedlich) auch Programm gemacht. Intervalle, Tempo, und Technik. Über das mittlerweile legendäre Stiegentraining im Museumsquartier hat Franziska Zoidl im STANDARD schon im Oktober geschrieben. Dass die frühen Vögel auch Rennrad fahren und Yoga machen (derzeit beides indoor), dass es mittlerweile auch EB-Gruppen in Innsbruck und Salzburg gibt, sei hier nur am Rande erwähnt.

Die Gruppen sind offen, die Teilnahme grundsätzlich – bis auf Saalmieten – gratis. Dennoch, erklärt Gründer Kraihamer, sei das Modell auf dem Weg zu einem profitablen Geschäft: Die Kernklientel ist unter 26 Jahre alt – und damit für (Sport-)Marken-Kooperationen hochinteressant. Wieso? "Wer regelmäßig um halb sieben Sport machen geht, ist diszipliniert und hat klare Ziele – das ist für Unternehmen sehr attraktiv."

Foto: early-birds.at

Ähnlich jung und hip, aber mit reinem Lauf-Fokus, ist das Vienna Running Collective aufgestellt. Die Partie sieht sich als "Schnittstelle zwischen traditionellen Vereinen und Hobbysportlern", betont, dass "Laufen mehr als ein Sport, ein Lebensstil" ist – und ist grundsätzlich für alle offen. Freilich: Wenn die Damen und Herren des "Collectives" am Dienstagabend (ab 18.45 Uhr) auf dem WLV-PLatz im Prater neben mir und meinen Vereinsbuddys Lauftechnik trainieren, wird rasch klar: Die sind schnell. Richtig schnell.

Wobei es beim Sonntags-Longrun (20 bis 30 Kilometer, Start um 9.00 Uhr beim Bagelshop 1683 auf der Währinger Straße) und monatlichen Social Runs aber ruhiger und gemütlicher zugehen soll. "Gemütlich" ist relativ.

Foto: www.leggou.vision

Bleiben wir noch kurz bei jung und hip: Das sind Schlüsselvokabel für die von Adidas weltweit initiierten lokalen Adidas-Runners-Laufgruppen.

Die Community war auch in Wien hochaktiv, zeigte die eigene Hippness sehr bewusst und gab sich kommunikativ gegenüber Außenstehenden mitunter recht hermetisch. Das funktionierte und machte attraktiv: Wo nicht jeder mitspielen darf, da wollen umso mehr Leute hin. Und: Bei den ARs in der internen Hierarchie aufzusteigen brachte auch nette Goodies und kleine Privilegien.

Doch mit dem Wegfall des Badeschiffs am Donaukanal als superattraktives Headquarter (und angeblich einigen Abgängen bei den Coaches) wurde es zuletzt ruhiger um das Wiener Chapter.

Damit, betont Wiens AR-Captain Iman Said, sei es aber vorbei: Am 29. Jänner geht es wieder los. Dienstag ist Intervalltag auf der Hauptallee, Donnerstag heißt Lauftechnik – und der Sonntag gehört dem klassischen Longrun in der Gruppe. Start ist da jeweils beim an die Alten Donau übersiedelten Headquarter.

Foto: Adidas Runners Vienna

Longruns als gemeinschaftsstiftendes Event greift mittlerweile auch die Grande Dame des Social Runnings in Österreich auf. Ilse Dippmann hat mit dem Österreichischen Frauenlauf einen der größten Sport- und Laufevents überhaupt geschaffen. So toll der Bewerb an sich auch ist, sind es doch die gemeinsamen Trainingsläufe in ganz Österreich und fast das ganze Jahr über, die den Frauenlauf zu einer Institution mit Mehrwert machen: Bei Trainings in der Gruppe wird nämlich mehr vermittelt als Lauftechnik und Know-how – das Laufen im Rudel stärkt Selbstvertrauen und Identität.

Dass die Frauenlaufmacherinnen da – seit letztem Sonntag – in Wien zusätzlich auch gemeinsame Longruns anbieten, passt. Denn was den "Longy" ausmacht, ist seine "gemütliche", also "soziale" Komponente.

Foto: P. Gamsjäger/Österreichischer Frauenlauf

Wie wichtig diese Komponente ist, lässt sich auch aus Fragen wie der von "Les Bourgeois" ablesen: Woher soll ein Einsteiger oder eine Anfängerin denn wissen, dass auch der der Vienna City Marathon mittlerweile zu gemeinsamen Trainingsläufen lädt? Nicht rein "social", sondern mit Programm – aber durchaus niederschwellig.

Und gerade am Anfang, gerade beim Einstieg ist es wichtig, nicht allein zu sein, sondern Fragen stellen zu können. Und zwar ohne die Angst, von oben herab angeschaut oder gar belächelt zu werden.

Gruppe hilft da – wenn man die richtige findet. Zugegeben: das ist manchmal eine Henne-Ei-Geschichte. Aber wirklich nur beim allerersten Schritt. (Tom Rottenberg, 24.1.2023)


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Foto: www.leggou.vision