Johann Sebastian Bach und ein Klavier aus Obst? Bei KI-Musik entstehen gänzlich neue Möglichkeiten.

(Dieses Bild wurde mit der KI Midjourney generiert. Der Prompt lautete: picture of Johann Sebastian Bach playing on a piano made of fruits, in the style of a graphic novel. --ar 3:2)

Foto: Midjourney/Stefan Mey

Vor rund einer Woche wurden an dieser Stelle im Rahmen der "Musik der Zukunft"-Serie diverse KI-Tools vorgestellt, mit denen das Produzieren von Songs erleichtert wird. Viele dieser Werkzeuge kommen von kleinen Start-ups, die Verwendung wird von den Größen der Branche oft kritisch gesehen – wie sich auch in der Kontroverse rund um ein Fake-Duett zwischen Drake und The Weeknd zeigt. Besondere Beachtung soll daher die Magenta Suite von Google erfahren – ein vom Tech-Konzern kostenlos bereitgestelltes KI-Paket, das bei der Produktion lizenzfreier Songs hilft.

Wie schon zuvor in dieser Serie hat der STANDARD exemplarisch ein Lied mit der Magenta Suite erstellt, das keinen Anspruch auf künstlerische Perfektion hat, sondern allein Demonstrationszwecken dient. Die 360-Grad-Bilder des Videos wurden mit Skybox von Blocklade Labs erstellt, als inhaltliche Inspiration dienten die "Drachenlanze"-Romane von Margaret Weis und Tracy Hickman.

DER STANDARD|Magenta Suite, Google|Skybox, Blockade Labs

Kostenloser Download von Google Magenta Studio

Das Magenta Studio von Google ist aktuell in der Version 1.0 verfügbar und kann unter diesem Link kostenlos heruntergeladen werden. Nutzerinnen und Nutzer von Ableton Live können sich freuen, dass es für sie ein spezielles Plug-in gibt, alle anderen können die Software als Standalone Application verwenden.

Die fünf Tools des Magenta Studio

Das Magenta Studio besteht insgesamt aus fünf einfachen Programmen, die mittels künstlicher Intelligenz beim automatischen Erstellen und Verändern von MIDI-Dateien unterstützen:

  • Generate
  • Continue
  • Drumify
  • Interpolate
  • Groove

In den meisten Fällen machen die Programme genau das, was der Name suggeriert. So kann "Generate" eine gewünschte Anzahl an MIDI-Dateien generieren, wahlweise als Melodie oder als Drum-Track. Lädt man eine beliebige MIDI-Datei hingegen in "Continue", so setzt das Programm die Melodie in der Form fort, wie es anhand der bisherigen Notensetzung sinnvoll erscheint. Und "Interpolate" ermöglicht das Kombinieren von zwei MIDI-Dateien, um aus dessen Kombination eine neue Melodie zu erschaffen.

"Drumify" wiederum ist ein Tool, in das man eine Melodie als MIDI-Datei lädt, zu der das Programm einen passenden Beat entwickelt. Klingt dieser zu steril, so kann er in "Groove" geladen werden, um einen Funken Chaos in den Rhythmus zu bringen und ihn somit menschlicher erscheinen zu lassen.

Magenta Studio in der Praxis

Diese Werkzeuge lassen sich in beliebiger Form kombinieren. So habe ich in meinem Fall zuerst mit "Generate" eine Melodie generiert, diese dann mit "Continue" fortgesetzt und mit "Groove" vermenschlicht, bevor ich mit "Drumify" den passenden Drum-Track dafür generiert habe.

Das alles habe ich dann in meine Digital Audio Workstation geladen, um die MIDI-Tracks mit entsprechenden Instrumenten zu versehen und zu arrangieren, bevor ich das Endergebnis exportiert habe. Kein Zweifel: Das von mir erschaffene Beispiel ist geradezu kakofonisch. Würde man jedoch ernsthaft mit diesen Tools arbeiten, dann würde man die generierten Samples als Inspiration verwenden, um sie anschließend als Mensch zu verfeinern.

Komponieren wie Johann Sebastian Bach

Neu ist Magenta Studio eigentlich nicht. Das Modell wurde erstmals 2016 präsentiert, das Softwarepaket folgte 2019. Und Anfang 2023 präsentierte man mit Music LM ein Tool, das überhaupt Songs auf Basis von Textbefehlen (Prompts) erstellen kann. Es ist noch nicht marktreif, könnte Magenta aber irgendwann ersetzen.

Bis es so weit ist, kommt aber die Magenta-Lösung noch für diverse andere Projekte zum Einsatz. Eines davon war ein Google Doodle am 21. März diesen Jahres, welches auf Basis von Magentas Modell das Komponieren von klassischer Musik im Browser ermöglicht. Die Bedienung ist kinderleicht, das Tool kann unter diesem Link ausprobiert werden.

Viele weitere Projekte

Und dabei bleibt es nicht. Google ermöglicht es außerdem Developern, auf Basis einer Javascript-API namens Magenta.js und einer Python-Library eigene Lösungen zu entwickeln. Einige davon – von internen wie von externen Programmierern – werden auf dieser Seite aufgelistet.

Dazu gehören unter anderem diverse Drum-Computer, mit denen im Browser experimentiert werden kann, wie etwa die Neural Drum Machine oder Beat Blender. Und es findet sich das Beispiel von "Fruit Genie": ein Projekt, das der Konzern gemeinsam mit der Indieband Flaming Lips durchgeführt hat. Diese haben die Technologie genutzt, um auf der Google I/O 2019 auf Basis der Applikation Piano Genie ein Obst-Lied zu performen. (Stefan Mey, 25.4.2023)

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