Lego hat bereits ein Spiel mit dem Untertitel "Universe" – jetzt fehlt noch das passende Metaverse.

Foto: Lego

"Ach Kind, komm, lass die Fragereien! Für so was bist du noch zu klein. Du bist noch lange nicht so weit – das hat noch Zeit!" Wer zu diesen Zeilen die Musik von Udo Jürgens im Kopf hat, der hat in den 1990er-Jahren wahrscheinlich die informative Zeichentrickserie "Es war einmal der Mensch" gesehen. Dort lernte man auf eine kindgerechte Weise über die Geschichte der Menschheit, ihre Errungenschaften und menschlichen Tragödien. Würde diese Serie heute laufen, sie müsste wohl das Metaverse erklären, NFTs und die Blockchain.

Oder aber, die Figuren in der Serie wären sogar NFTs, die man kaufen kann. Am besten auf Plattformen, die speziell für Kinder aufbereitet sind, damit sie schon früh den Umgang mit dem sogenannten "Web3" – dem nächsten Internet – lernen. Zukunftsmusik? Mitnichten. Plattformen wie Zigazoo bieten solche Dienste schon an, Firmen wie Lego und Sony basteln bereits am Metaverse für Kinder. Eine herausfordernde Zeit – nicht nur für unsere Kleinsten.

Xbox

Aus Träumen gemacht

"Du hast die Kraft, etwas Besonderes aus dieser Welt zu machen. Mit deiner Hilfe kann diese Welt wieder magisch werden!" Mit diesen Worten will uns der neue Trailer zu Disneys "Dreamlight Valley" verzaubern – oder besser gesagt unsere Kinder. Eine bunte, virtuelle Welt, in der die Heldinnen aus "Toy Story", "Arielle" und anderen Disney-Klassikern mit den Spielerinnen fischen gehen oder gemeinsame Fotos schießen wollen. Viel mehr verrät uns der Ende April 2022 erschienene Trailer noch nicht, außer dass das Free-2-Play Game für alle gängigen Plattformen erscheinen und so eine möglichst große Zielgruppe erreichen soll.

Diese Disney-Welt, die mit Sicherheit mit zahlreichen kaufbaren Gegenständen und Kostümen gespickt sein wird, lässt schon gute Schlüsse zu, welche Universen – oder sagen wir Metaversen – gerade für Kinder bei den diversen Entwicklerstudios gebaut werden.

Obwohl der Hype-Ausdruck Metaverse aktuell aus den Schlagzeilen verschwunden ist – wohl auch aufgrund der tagesaktuellen Nachrichten rund um Krieg, Pandemie und Inflation –, arbeiten im Hintergrund Meta, Microsoft und Co an ihren virtuellen Welten, die letztes Jahr großspurig angekündigt wurden und sowohl das Arbeitsleben als auch die private Zeit revolutionieren sollen. Abseits dieser bereits vielfach besprochenen Welten – ja, es wird wohl nicht nur ein Metaverse geben – arbeiten die ersten Firmen an eigenen Bubbles für Kinder und Jugendliche. Das hat vielerlei Gründe, weiß auch Thomas Wernbacher, der an der Donauuniversität Krems Angewandte Spieleforschung unterrichtet und in diesem Bereich forscht.

Metaversen für Kinder müssten in ihren Funktionen beschränkter sein als andere, sagt der Forscher. Aktuelle Beispiele, wie etwa "Animal Crossing" oder diverse Lego-Spiele, hätten eine sehr reduzierte Form der Interaktion beziehungsweise der Kommunikation mit anderen Spielern. Es gebe zudem kaum Möglichkeiten, nicht jugendfreie Inhalte zu produzieren oder zu konsumieren. "Jugendschutz wäre sicher das Thema Nummer eins in solchen Welten", ist sich Wernbacher sicher. Inhaltsfilter und Moderation seien quasi ein Muss für alle, die sich mit der Herstellung solcher Plattformen beschäftigen würden.

Das Spiel ""Fortnite"" hat bereits mit Kooperationen mit Marvel oder Konzerten von Popstars im Spiel ein eigenes Metaversum geschaffen.
Foto: Epic

Die Inhalte

Viel Potenzial für die Erstellung einer solchen Plattform sieht Wernbacher in der frischen Kooperation zwischen Lego und den "Fortnite"-Machern Epic. "Epic hat mit der eigenen Unreal-Engine und dem bestehenden Ökosystem 'Fortnite' aktuell die besten Karten für ein solches Metaverse für Kinder", sagt der Experte. Man habe mit dem Spiel bereits eine Art Metaversum gebaut, finden doch regelmäßig Konzerte von Popsternchen in der virtuellen Spielwelt statt. Auch Kooperationen mit Marvel oder anderen bekannten Marken bringen immer neue Inhalte für Million Spieler. Genau das seien jene Inhalte, die man künftig auch in einem Metaversum für Kinder finden würde.

Dazu hat man mit Lego jetzt einen Partner gefunden, der mit seinem Namen dafür birgt, dass es sich wirklich um kinderfreundliche Inhalte drehen soll. In einem gemeinsamen Statement gaben die zwei Firmen bekannt, dass diese "familienfreundliche digitale Erfahrung" Kindern Zugang zu Werkzeugen geben soll, die sie zu "selbstbewussten Content-Schaffenden" machen. Für diese Werkzeuge und den dazu passenden sicheren Raum wollen die beiden Firmen einstehen.

Kinder sollen also Inhalte schaffen, Welten bauen – wie sie das auch in der Vergangenheit in Spielen wie "Minecraft" oder eben "Fortnite" getan haben. Nur mit dem Unterschied, dass diese nun größer und vernetzter sein werden. Mit dem Zusammenschluss von Marken wie Epic, Lego und auch Sony werden ganz neue Möglichkeiten geschaffen. Im "Fortnite"-Universum könnte man dann reales Spielzeug von Lego kaufen oder gewinnen – Sony könnte mit Playstation VR eine zusätzliche virtuelle Ebene einziehen, in der man diese Welt erleben kann. Was am Ende nicht fehlen darf, ist ein eigenes Wirtschaftssystem, in dem man eigene Werke auch noch an andere Spiele verkaufen kann.

Für eine Kinder-App konfrontiert Zigazoo den Kunden oft mit der In-App-Währung Zigabucks und dem möglichen Einwerfen von Echtgeld.
Foto: Zigazoo

Metaverse-Influencer

NFTs (Non-fungible Tokens) waren im Rahmen der Metaverse-Blase ebenfalls ein heißes Thema. Diese, verkürzt gesagt, Eigentums- und Echtheitszertifikate und gleichzeitig Gütesiegel im Handel mit digitaler Kunst, werden ebenfalls ein Bestandteil dieser Metaversen sein. Wie man diese kindgerecht in soziale Netzwerke einbauen kann, zeigt die App Zigazoo bereits jetzt eindrucksvoll. Diese sieht sich laut eigenen Aussagen als Lernplattform für Web3-Inhalte.

Auf den ersten Blick sieht die Plattform aus wie ein Tiktok für Kinder. Hier tanzen und singen Vier- bis Zehnjährige, die in sogenannten "Challenges" ihr liebstes Sportdress präsentieren oder ein Tattoo beschreiben, dass sie sich machen lassen würden. Mit diesen Aktivitäten sammelt man die In-App-Währung Zigabucks, die natürlich auch für Echtgeld erstanden werden können. Damit lassen sich "Premiuminhalte und Features" freischalten. Diese digitale Währung erlaube Kindern laut Zigazoo, sich mit anderen zu verknüpfen und Freunde zu finden.

Übersetzt heißt das, man kann sein Auftreten in der App mit grafischen Elementen aufwerten oder anderen Kindern, den sogenannten "Zigazooes", Geschenke schicken. Hinzu kommen die erwähnten NFTs, die ebenfalls von den Nutzenden entworfen werden können. Die 13-jährige Nyla Hayes durfte in der App schon ihre erste Kollektion präsentieren, die innerhalb weniger Stunden ausverkauft war. Diese Bildersammlung für Kinder ist laut der App "die Erste ihrer Art". Mit dem Kauf sichere man sich, ähnlich wie mit den Zigabucks, "coole und aufregende neue In-App-Möglichkeiten", heißt es.

Damit wird den Kindern suggeriert, sie könnten auf diese Weise Geld verdiene. Ein ähnliches Konzept wie bei "Play to earn", das vor allem von NFT-Games wie beispielsweise "Axie Infinity" als Feature verkauft wird. Darunter versteht man den Vorgang, wenn durch das Spielen eines Videospiels Token erlangt werden, die in Folge für Echtgeld verkauft werden können. Das Hobby quasi zum Beruf machen: Das klingt natürlich auch für Kinder spannend und bringt der Plattform im Idealfall einen ständigen Strom an Inhalten, die von sehr jungen Menschen produziert werden.

Die rechtliche Seite

Mit dem Verkauf solcher digitalen Inhalte müssen sich die Kinder beziehungsweise die Erziehungsberechtigten allerdings auch mit rechtlichen Fragen auseinandersetzen, weiß der unter anderem auf Computer- und Videospiele spezialisierte Rechtsanwalt Urim Bajrami. "Prinzipiell macht es keinen Unterschied, ob eine Person etwas in einer App oder in einem Metaverse kauft oder verkauft. Man muss man darauf achten, ob der Minderjährige das Geschäft mit seinem eigenen Account tätigt oder dem Kind das Gerät und die Zugangsdaten zum App-Store von den Erziehungsberechtigten bewusst überlassen wurde", sagt er.

Mit dem eigenen Account dürfen beispielsweise Minderjährige ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigen nur sehr kleine Beträge ausgeben. Klassische Käufe sind hier Produkte, die üblicherweise mit dem Taschengeld erworben werden können. Der Verkauf von Gegenständen mit einem höheren Wert muss über das Benutzerkonto eines Erziehungsberechtigten abgewickelt werden, um rechtsgültig zu sein. Wohl auch deshalb müssen Kinder bei Zigazoo ein gemeinsames Konto mit den Erziehungsberechtigten erstellt werden.

Auch das Konzept von "Play to Earn" sei nicht neu, meint Bajrami. Vor der Etablierung von NFTs waren es laut dem Anwalt die sogenannten "Chinafarmer", die virtuelle Spielwährungen erspielt und dann gegen Echtgeld verkauft haben. "Durch die Etablierung von NFTs können nun einfach direkt Items erspielt werden, die dann in einem Sekundärmarkt gegen Echtgeld oder andere Token verkauft werden, sodass es keiner Mittelsmänner mehr bedarf". Die rechtliche Einordnung sei derzeit allerdings noch nicht abschließend geklärt. Das "Play to Earn"-Modell sei jedoch legal.

Markus Meschik von Enter, der Fachstelle für digitale Spiele, ist sich sicher, dass NFTs in diesem Zusammenhang und von Plattformen wie Zigazoo nur benutzt werden, um Kinder als Werbeträger für die Eltern zu nutzen. "Kinder werden hier monetarisiert, wie das auch schon beim Spiel 'Roblox' der Fall war". Es gebe keinen logischen oder inhaltlichen Sinn, NFTs in solche Welten einzubauen. Hier seien allein kapitalistische Hintergedanken am Werk.

Im Falle von Zigazoo sei zudem die versuchte Darstellung, man sei eine Lernplattform, heuchlerisch, sagt Meschik. "Es passt nicht zusammen, wenn man Lerninhalte auf einer Plattform präsentiert und daneben NFTs zu Geld machen will". Ganz ohne Frage sei es wichtig, sich gewisse Kompetenzen in diesem Gebiet anzueignen und die kritische Auseinandersetzung mit digitalen Werten zu lernen – der hier eingeschlagene Weg sei aber der falsche.

Die ersten Wellen an NFTs sind in der Kinder-App Zigazoo bereits ausverkauft.
Foto: Zigazoo

Bunte Zukunft

Schon heute verbringen Kinder zwischen acht und zwölf Jahren täglich etwa sechs Stunden mit Medieninhalten. Künftig werden sie wohl noch mehr Möglichkeiten haben, ihre Zeit im Netz zu verbringen. In großen Welten, die mit unzähligen Möglichkeiten locken, aber auch Cybermobbing und aggressive Werbung bieten werden, die Kinder in ihrer Kompetenz in höchstem Maße überfordern könnten.

Sowohl Wernbacher als auch Meschik sind sich deshalb einig, dass die größte Herausforderung bei den Metaversen für Kinder in der Moderation, im Schutz vor falschen Einflüssen und vor schädlicher Werbung liegen wird. "Werbung im Kinder-TV ist stark reguliert, um diese vulnerable Gruppe zu schützen", sagt Meschik. Hier kämen neue Unterhaltungsformen auf uns zu, die im schlimmsten Fall völlig unreguliert seien. Das wird eine Mammutaufgabe für die Metaversen der Zukunft, ist sich Meschik sicher. Der einzig richtige Schutz, den Lego und Co wirklich für ihre neuen Welten anbieten könnten, wären zeitliche Limitierungen für die Spieler. Alles andere sei ein Kompromiss, der am Ende auf Kosten der Kinder gehen würde.

Wernbacher ergänzt: "Die größte Herausforderung für diese Welten wird die Sicherheit der Kinder sein, damit sie von gängigen Internetproblemen wie Grooming oder Sexting verschont bleiben." Erreicht könne das natürlich nur werden, wenn eine strenge Moderation stattfindet, sagt Wernbacher. "Es ist jetzt schon schwierig, Social-Media-Plattformen wie Facebook von gefährlichen Inhalten freizuhalten. In einer großen Welt, die vielleicht auch noch kreatives Schaffen ermöglicht, wird das noch schwieriger."

Sieht man all diese Möglichkeiten und Herausforderungen auf die Kinder zurollen, ist klar, dass die Implikationen für die Gesellschaft durch diese Metaversen massiv sein werden, wie das zuvor schon mit dem Internet der Fall war. Sich hier gemeinsam mit den Kindern durch den Aufbau digitaler Kompetenz zu schützen, wird künftig wohl noch wichtiger als dies aktuell schon der Fall ist. Egal ob dies durch Medienbildung in der Schule oder das interessierte Begleiten durch die Eltern geschehen wird. (Alexander Amon, 30.4.2022)