Die Tage des U-Ausschusses im Parlament sind gezählt: Er endet am 1. Februar.

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Während die gemeinderätliche Untersuchungskommission zu Finanzhilfen für die Wien Energie aus dem SPÖ-dominierten Rathaus gerade so richtig an Fahrt aufnimmt, ist der formal noch bis zum 1. Februar laufende Untersuchungsausschuss rund um Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP de facto zu Ende. Das erklärten die Fraktionsführerinnen und Fraktionsführer nach einem informellen Treffen am Donnerstag.

Die ÖVP legt sich nämlich weiter gegen eine Geschäftsordnungssitzung, in der Befragungstage festgelegt werden könnten, quer. Für rechtmäßige Ladungen von Auskunftspersonen ist es ohnehin schon zu spät, weil die Frist von zwei Wochen nicht mehr eingehalten werden kann. Am Freitag soll es zu einer Sonderpräsidiale kommen, um doch noch einen Termin für eine Geschäftsordnungssitzung zu finden.

Doch zurück zur Untersuchungskommission im Rathaus: Nur allzu gerne schielen Stadtrote und Wiener Türkise von dort auf den U-Ausschuss im Parlament – nicht zuletzt, um einander das dortige Gebaren vorzuhalten. Übrig bleibt: Betont wird jene Ähnlichkeit, die die jeweilige parteipolitische Position stärkt – und übersehen jener Unterschied, der dies weniger tut.

Doch wie ist es tatsächlich? Jedenfalls nicht so einfach, wie ein Vergleich der beiden Gremien zeigt.

Die Rolle von Chats

U-Ausschuss

Die hunderttausenden Chats aus dem Smartphone von Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid blieben für die ÖVP auch in diesem U-Ausschuss ein Aufreger. Ihr Fraktionschef Andreas Hanger sah sich teils an "Stasi-Methoden" erinnert, für die Verfassungsministerin hatten "private Chats nichts in der Öffentlichkeit verloren" – gemünzt war das freilich auf Kommunikation zwischen Spitzenpolitikern.

Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid auf dem Weg in den U-Ausschuss.
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Für die Opposition waren Chats ein zentrales Beweismittel im U-Ausschuss – und nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs musste die Justiz Chatnachrichten eigens für den U-Ausschuss auswerten.

U-Kommission

Die Chats auf den Handys von Bürgermeister Michael Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke (beide SPÖ) sind geeignet, "einen Beitrag zur Ermittlung des für den Untersuchungsgegenstand maßgeblichen Sachverhalts" zu liefern. Das hat das Schiedsgremium auf Verlangen der ÖVP entschieden.

Der SPÖ dürfte das wenig schmecken, hatte sie im Vorfeld doch massive Bedenken: "Es sind ja auch Interessen Dritter damit in Verbindung zu bringen beziehungsweise Datenschutz", hatte etwa Ludwig angemerkt. Das Begehr nach Einschau in Stadtvize Christoph Wiederkehrs (Neos) Handy wurde hingegen abgelehnt.

Zwangsmittel

U-Ausschuss

Dem damaligen Finanzminister Gernot Blümel bleibe "nur mehr der sofortige Rücktritt", urteilte Jan Krainer (SPÖ) im Juli 2019. Der Grund für Krainers Ärger: Blümel hatte dem U-Ausschuss trotz anderslautenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) Akten vorenthalten, es kam zur Exekution der Entscheidung durch den Bundespräsidenten. Das zeigt: Der U-Ausschuss hat durchaus mächtige Instrumente, um Akten anzufordern – und Ministerien haben viele Möglichkeiten, ihre Lieferung monatelang zu blockieren. Zieren sich Auskunftspersonen, ist übrigens eine polizeiliche Vorführung möglich.

U-Kommission

Eine Verpflichtung, zu Recht begehrte Beweise tatsächlich zu liefern, fehlt in Wien. Das führt zu dem Kuriosum, dass der "Erfolg der Beweiserhebung einzig von der freiwilligen Mitwirkung der in Anspruch genommenen Stelle abhängig" ist, wie der Vorsitz zuletzt festhielt.

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) geht noch in sich, welche Informationen von seinem Handy er offenlegen wird.
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Für Chatlieferungen etwa heißt das: Es liegt an Bürgermeister Ludwig und Stadtrat Hanke, ob sie die Kommunikation auf ihren Handys offenlegen. Beide gehen derzeit in sich: Hanke verkündete unlängst, dass er mit den Rathausjuristen berate, "in welcher Form man die gewünschten Informationen zur Verfügung stellen kann". Ausgang ungewiss.

Ladungsliste

U-Ausschuss

Die Ladungen für den U-Ausschuss schnapsen sich die einzelnen Fraktionen untereinander aus, und zwar meistens für einige Monate im Voraus. Streit gab es da in der Vergangenheit nur selten; höchstens genervte Oppositionsparteien, wenn wieder ein "ÖVP-Tag" war, an dem meist SPÖ-nahe Personen geladen waren.

U-Ausschuss-Vorsitzender und mehrfach Auskunftsperson: Wolfgang Sobotka (ÖVP).
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Allerdings galt im U-Ausschuss lange die Usance, dass Ladungen von aktiven Abgeordneten vermieden werden sollten, besonders wenn sie U-Ausschuss-Mitglieder sind. Allerdings wurde etwa der Vorsitzende Wolfgang Sobotka (ÖVP) nun gleich mehrfach befragt.

U-Kommission

Ein Bruch mit den Gepflogenheiten in Sachen Auskunftspersonen steht an. Erstmals werden Stadträtinnen und Stadträte der Opposition geladen: Judith Pühringer (Grüne), Dominik Nepp (FPÖ), Isabelle Jungnickel und Karl Mahrer (beide ÖVP). Letzterer soll etwa dazu aussagen, ob er aus dem Finanzministerium Unterlagen erhalten hat. Die Initiative dafür kommt von der SPÖ: Jede Fraktion kann Ladungen beantragen, Minderheitsbeschlüsse sind möglich. Ins Gesicht schauen darf den Auskunftspersonen übrigens nur die Kommission. Bestrebungen, dies mit einer anderen Möbelanordnung zu ändern, scheiterten.

Einsetzung

U-Ausschuss

Um einen U-Ausschuss einzusetzen, sind die Stimmen von 46 Abgeordneten nötig – das ist ein Viertel des Nationalrats. Allerdings kann die Mehrheit gewissermaßen ein Veto gegen den Untersuchungsgegenstand einlegen und ihn zur Prüfung an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) schicken. Das war beim Ibiza-U-Ausschuss der Fall, den Türkis-Grün als zu weitreichend einschätzte. Der VfGH sah das anders, eine peinliche Niederlage für die Grünen. Ein zweiter U-Ausschuss, der parallel läuft, kann dann nur mehr von einer Mehrheit der Abgeordneten eingesetzt werden.

U-Kommission

Erforderlich sind die Stimmen von einem Viertel der Abgeordneten, im Rathaus sind das 25. Über den genauen Untersuchungsgegenstand entscheidet der Gemeinderatsvorsitz – und damit SPÖ-Politiker Thomas Reindl. Er zeigte sich ob des ursprünglich von ÖVP und FPÖ geplanten Fokus zögerlich. Denn U-Kommissionen dürfen weder ausgegliederte Unternehmen noch Agenden des Landes (wie den Kreditvertrag Wiens mit dem Bund) prüfen. Reindl lieferte sich mit ÖVP und FPÖ eine Gutachtenschlacht, Begründung: "Ich möchte auf Nummer sicher gehen." Den Untersuchungsgegenstand ließ er dann weitgehend zu.

Vorsitz

U-Ausschuss

Das letzte Machtwort kann im U-Ausschuss der Vorsitzende sprechen, und das ist automatisch der Nationalratspräsident, solange sich der nicht freiwillig zurückzieht. Das tat Wolfgang Sobotka (ÖVP) bekanntermaßen nicht, auch wenn es alle vier anderen Fraktionen gefordert haben. Sobotka betonte immer wieder, sich in seinen Entscheidungen etwa zur Zulässigkeit von Fragen an die Meinung des unabhängigen Verfahrensrichters zu halten. Davon gab es aber immer wieder Ausnahmen, vor allem in höchst strittigen Situationen. Die Opposition sah außerdem Einflussnahme durch Sobotka auf den Richter.

U-Kommission

Schiedsrichter oder Schiedsrichterin ist niemand aus der Politik, sondern eine Juristin oder ein Jurist. Der Vorsitzposten und zwei Stellvertretende werden aus einem Pool von fünfzehn aktiven oder im Ruhestand befindlichen Richterinnen und Richtern ausgelost.

Per Los ausgewählt: U-Kommissionsvorsitzender Martin Pühringer.
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Je fünf Vorschläge dafür kommen vom Bundesverwaltungsgericht, vom Oberlandesgericht Wien und vom Verwaltungsgericht Wien. Das Trio entscheidet als Schiedsgremium auf Verlangen in letzter Instanz auch über strittige Punkte: zum Beispiel, welche Fragen an Zeuginnen und Zeugen erlaubt oder welche Beweisanträge zulässig sind. (Fabian Schmid, Stefanie Rachbauer, Sandra Schieder, 20.1.2023)