Mithilfe von DNA aus dem tauenden Permafrost ließen Forschende das Mammut zumindest kulinarisch wiederauferstehen.

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Schnittspuren an Knochen und andere Funde lassen kaum Zweifel daran, dass Mammutfleisch bei Neandertalern und Homo sapiens auf dem Speisezettel phasenweise weit oben stand. Wie Mammut wohl geschmeckt hat? Eine ungefähre Ahnung könnte etwas liefern, das kürzlich aus dem Labor eines australischen Unternehmens gekommen ist: Ein Forschungsteam der Firma Vow hat auf Basis von Mammut-DNA-Fragmenten eine Art Faschiertes in Kugelform kreiert.

Man wolle mit dem nun im niederländischen Amsterdam vorgestellten Projekt demonstrieren, welches Potenzial in gezüchtetem Fleisch steckt, für das keine Tiere geschlachtet werden mussten. "Wenn es um den Fleischkonsum geht, haben wir ein Problem mit unserer Bereitschaft zu Verhaltensänderungen", sagte George Peppou von Vow gegenüber dem britischen "Guardian". "Das Ziel ist, einige Milliarden Fleischesser vom Verzehr von herkömmlichem tierischem Eiweiß abzubringen. Und wir glauben, der beste Weg wäre, Fleisch neu zu erfinden. Wir suchen nach unterschiedlichen Zellen, die leicht zu züchten und nahrhaft sind, und mischen diese Zellen dann, um schmackhaftes Fleisch zu erzeugen."

Auch wenn man sich noch so bemüht hat, besonders einladend sieht die mammutmäßige Fleischkugel nicht aus.
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Wachsender Markt

Ob die PR-Aktion von Vow der Sache dienlich ist, bleibt zumindest hinterfragenswert. Sie zeigt aber auch immerhin, dass Kunstfleisch aus der Petrischale auf dem freien Markt auf Interesse stößt. An der Umsetzung der Idee wird seit den frühen 2000er-Jahren geforscht. 2013 präsentierte der niederländische Wissenschafter Mark Post in London den ersten Laborburger, die österreichische Ernährungswissenschafterin Hanni Rützler durfte vor versammelten Journalisten kosten. Ihr damaliges Fazit: "Es ist nahe an Fleisch, aber nicht so saftig."

Mittlerweile arbeiten gut 100 Unternehmen an kultivierbarem Fleisch. Die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) hat im vergangenen November erstmals kultiviertes Fleisch für den menschlichen Verzehr zugelassen. Zwei Start-ups mit Sitz in Kalifornien wollen nun bald Fleischprodukte aus Hühnerstammzellen anbieten.

Echte Exoten im Kühlregal?

Deutlich unkonventioneller dagegen geht es Vow an, das Unternehmen in Sydney hat teilweise völlig neue Fleischsorten im Sinn. Über 50 Tierarten, darunter Alpaka, Büffel, Krokodil, Känguru, Pfau und verschiedene Fischarten, wurden bereits auf ihr Potenzial als Laborfleischgrundlage untersucht. Das erste gleichsam fertige Kulturfleisch von Vow basiert auf der japanischen Wachtel und soll voraussichtlich noch dieses Jahr an Restaurants in Singapur (neben den USA das zweiten Land, das Kunstfleisch zugelassen hat) geliefert werden.

Für die Herstellung des nun präsentierten "Mammut-Köttbullars" griff das Team um Ernst Wolvetang von der Universität von Queensland auf die DNA-Sequenz eines Mammutmuskelproteins zurück. Durch die wachsende Zahl von Mammutfunden im tauenden Permafrost Sibiriens und Nordamerikas haben Forschende mittlerweile guten Zugang zu Mammut-DNA. Schon 2008 konnte ein Team rund 80 Prozent des Mammut-Genoms entschlüsseln. Wo die genetische Sequenz Lücken aufwies, wurde DNA von Elefanten ergänzt. Myoblasten-Stammzellen eines Schafs nahmen die so geschaffene Erbsubstanz auf, diese replizierten sich und wuchsen zu einem Konglomerat aus 20 Milliarden Zellen heran – die Grundlage für den nun vorgestellten Mammut-Fleischball.

Geschmacklich ein Rätsel

"Es war eigentlich lächerlich einfach und ging sehr schnell", sagte Wolvetang. "Wir brauchten dafür nur wenige Wochen." Ursprünglich hatten die Forschenden vorgehabt, auch Dodo-Fleisch herzustellen, aber die dafür benötigten DNA-Sequenzen gebe es nicht, so die Forschenden. "Wir haben das Wollhaarmammut ausgewählt, weil es ein Symbol für den Verlust der Artenvielfalt und für den Klimawandel ist", erklärte Tim Noakesmith, Mitbegründer des Unternehmens.

Wie die Mammut-Köfte schmeckt, bleibt unklar, das Team hat von einer Verkostung abgesehen: "Dieses Protein gibt es seit Tausenden von Jahren nicht mehr", sagte Wolvetang. "Wer weiß, wie unser Immunsystem darauf reagieren würde." Nachdem es sich um Machbarkeitsexperimente handelt, war die Verzehrbarkeit zunächst auch noch nicht vorrangig.

Der erste Rindfleischburger aus dem Labor ist hier frisch zubereitet zu sehen. Er wurde bei einer Veranstaltung am 5. August 2013 in London öffentlich verzehrt.
Foto: REUTERS/David Parry

Mit Kollagen von T. rex

Die Forschenden der australischen Firma blicken kulturfleischmäßig jedoch bereits viel weiter: "Die Kollagensequenz von T. Rex ist eigentlich recht gut beschrieben", meinte James Ryall, leitender Wissenschafter bei Vow. "Theoretisch könnte man also etwa ein Nahrungsergänzungsmittel auf Kollagenbasis von Tyrannosaurus rex herstellen."

Für manche mag das verlockend klingen, andere dürften sich angeekelt abwenden. Die anfängliche Skepsis gegenüber Fleisch aus der Petrischale, selbst wenn es weniger exotischer Herkunft ist, sei durchaus verständlich, meinte Wolvetang. "Unter ökologischen und ethischen Gesichtspunkten halte ich persönlich Zuchtfleisch aber für sehr sinnvoll."

Der Wissenschafter geht davon aus, dass Technologien, die in der menschlichen Stammzellenforschung eingesetzt werden, künftig auch bei der Herstellung von Kulturfleisch eine größere Rolle spielen werden. Wolvetang könnte sich etwa vorstellen, dass mit den entsprechend programmierten Zellen einmal ganze Fleischstücke aus Muskeln, Fett und Bindegewebe gezüchtet werden.

In einem Restaurant in Singapur ...

Vorerst hofft das Team jedoch nur, die Herstellungskosten seines herkömmlich gezüchteten Fleisches abseits von Mammut und Co zu senken. Noch sei kultiviertes Fleisch auf Supermarktebene nicht wettbewerbsfähig. Daher konzentriert sich das Unternehmen zunächst auf gehobene Restaurants namentlich in Singapur, "in denen die Köche abenteuerlustig genug – und die Kunden bereit sind, einen höheren Preis zu zahlen".

Eine Studie aus dem Jahr 2019 prophezeit dem Kunstfleisch jedenfalls nach einer gewissen Anlaufzeit guten Erfolg: Bereits 2040 würden nur 40 Prozent der konsumierten Fleischprodukte von Tieren stammen, glauben die Forschenden. Dass dabei auch Exotisches auf dem Zuchtfleischmarkt Zuspruch finden dürfte, zeigen die "Ouroboros-Steaks" eines Kunstprojekts vor drei Jahren. Damals stellte eine Gruppe bestehend aus Künstlern und Biomedizinern rund um den Uni-Professor Orkan Telhan mehrere Ministeaks aus menschlichen Zellen her und zeigte sie in Museen in den USA. Das Team erntete zwar einen Shitstorm, aber auch zahlreiche Angebote aus der Industrie, die in Kunstfleisch menschlicher Herkunft offenbar lukratives Potenzial erkannte. (Thomas Bergmayr, 29.3.2023)