Auch Sigmund Freud fand ausreichend Ruhe im Talschluss nördlich von Reichenau, um dort an seiner "Traumdeutung" zu arbeiten.

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Das kuschelige Kaminzimmer im revitalisierten Thalhof an der Rax.

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Wer nunmehr in einem der nur elf Appartements an der Rax residiert, kann sich das einstige G’riss um eines der 120 Zimmer im Thalhof gar nicht mehr vorstellen.

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2019 war die umfassende Wiederherstellung als feine Herberge durch die Eigentümer Ursula und Josef Rath abgeschlossen.

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Es gehört eine Portion Fantasie dazu, sich die feine Ringstraßen-Gesellschaft des 19. Jahrhunderts ins Reichenau an der Rax anno 2022 zu denken. Wo genau im Ort soll das noble Grand Hotel geglänzt haben, das den Adel damals magnetisch aus Wien rauszog? In derselben Residenz wollen Peter Altenberg und Arthur Schnitzler platonisch zwar, aber doch beide um Olga Waissnix, die Chefin des Hauses, gebuhlt haben.

Wer genauer bei Schnitzler nachliest, stößt auf einen gewissen "Thalhof" als Schauplatz der Ereignisse. Und tatsächlich diente dieses 1652 errichtet Landgut lange Zeit als Nobelherberge. Wann immer Kaiser Franz Joseph I. und Elisabeth um Reichenau auf die Jagd gingen, logierten sie im Thalhof. Bis 1890 wurde er zu jenem Grand Hotel – damals eines der bekanntesten Europas –, das auch Sigmund Freud ausreichend Ruhe im Talschluss nördlich des Zentrums bot, um dort an seiner "Traumdeutung" zu arbeiten.

Ungewollt Geheimtipp

Doch erst seit drei Jahren kann man überhaupt wieder darauf kommen, an welch glorreiche Zeiten der neue Thalhof anknüpft. 2019 war die umfassende Wiederherstellung als feine Herberge durch die Eigentümer Ursula und Josef Rath abgeschlossen. Bald darauf begann bekanntermaßen die Pandemie, und das Haus blieb noch ein paar Monate ungewollt ein Geheimtipp.

Wer nunmehr in einem der nur elf Appartements an der Rax residiert, kann sich das einstige G’riss um eines der 120 Zimmer im Thalhof gar nicht mehr vorstellen. Besonders dann nicht, wenn es wie bei unserem Besuch in der Nebensaison keine anderen Gäste gibt. Dann hat man nicht nur eines der großzügig mit originalem Interieur der Wiener Werkstätten ausgestatteten Appartements – etwa "Josef Hoffmann" oder "Koloman Moser" (die haben auch schon hier gewohnt) – für sich, sondern auch den gemütlichen Salon im zentralen Gästehaus.

Würde man dort das Tagträumen vor dem Kachelofen die ganze Nacht lang durchhalten, niemand störte einen dabei. Denn erst am Morgen erscheint wieder ein dienstbarer Geist, um das Frühstück aufzutragen und einen daran zu erinnern, was hier mal war: ganz viel Rummel. Also vermutlich mehr als drei Leute, wenn man alle Gäste und das Personal zusammenrechnet. (Sascha Aumüller, 07.11.2022)