"Star Wars: Jedi Survivor" ist nur eines von vielen Beispielen dafür, dass Spiele zur Veröffentlichung oft noch unfertig sind.

Foto: Electronic Arts

Eigentlich habe ich mich auf "Star Wars: Jedi Survivor" gefreut. Seitdem ich meine Erwartungshaltung mit nahezu jedem neuen Inhalt aus dem "Star Wars"-Universum dank Disney sukzessive nach unten nivellieren muss, lag die Vermutung nahe, gar nicht mehr enttäuscht werden zu können. Ein bisschen Power-Sci-Fi, ein bisschen Sturmtruppen aufmischen, wird schon klappen. Leider sollte ich nicht recht behalten, weil sich das neue Abenteuer von Cal Kestis in eine lange Kette jener Videospiele einreiht, die zum Release mit technischen Problemen zu kämpfen haben. Probleme, die man eigentlich vermeiden könnte.

Meine Wahl der Plattform fiel auf die Playstation 5: Für Popcorn-Kino mit Knopferldrücken schien es naheliegend, dass ich es mir vor dem Großbildfernseher auf der Couch gemütlich mache. Tatsächlich entpuppte sich dieser Gedanke im Nachhinein betrachtet auch aus technischer Sicht als gut. Oder besser gesagt: als weniger schlimm. Denn die Umsetzung des Spiels kann bis zum Zeitpunkt des Verfassens nur als Wahl zwischen zwei schlechten Kompromissen bezeichnet werden.

Schlecht oder schlecht

Seit der aktuellen Konsolengeneration von Sony und Microsoft gehört es bei Entwicklern zum guten Ton, zwei Grafik-Modi anzubieten: einen "schönen" Modus, bei dem Detailreichtum und hohe Auflösung in den Vordergrund gestellt wird, und einen "schnellen" Modus, bei dem eine hohe Bildwiederholrate für ideales Handling sorgen soll. Das eine passiert jeweils zulasten des anderen, kostengünstige Konsolen-Hardware kann eben nicht auf beiden Hochzeiten tanzen. So weit, so gut.

Auch "Star Wars: Jedi Survivor" lässt Spielerinnen und Spieler entscheiden, ob sie den Performance-Modus aktivieren wollen oder nicht. Das Problem ist allerdings, dass weder die "schöne" noch "schnelle" Spielart gemäß ihrer Intention dargestellt werden kann. Entscheidet man sich für Qualität, erhält man zwar mehr Details, eine höhere Auflösung und ein sauberes Bild – aber auch eine Bildwiederholrate, die im späteren Verlauf des Spiels spürbar unter grenzwertige 30 Frames pro Sekunde rutscht. Bei einem Actiontitel wie diesem keine Option für mich.

Opfert man aber grafischen Detailreichtum für besseres Handling, so wie ich es vorhatte, wird man bei "Star Wars: Jedi Survivor" aber auch nicht glücklich. Im Gegenteil: Das Abenteuer bewegt sich nicht nur deutlich unterhalb der Grenze von 60 Frames pro Sekunde. Viel schlimmer ist der Umstand, dass das Spiel im oberen Drittel des Bildschirms auch noch mit aller Regelmäßigkeit "zerrissen" wird: ein Effekt, der entsteht, wenn die berechneten Frames pro Sekunde (von der Konsole) nicht mit der Bildwiederholrate des Fernsehers übereinstimmen. Sofern es Fernseher unterstützen, wäre ein VRR-Support die einfachste Lösung gegen Screen Tearing. Den sucht man hier aber vergeblich.

Vor diesem Hintergrund erscheint es auch nicht verständlich, weshalb rechenintensive Raytracing-Effekte in beiden Modi nicht deaktiviert werden können. Wenn sich Konsolen schon stark in die Richtung eines Budget-PCs entwickelt haben, dann sollte man Spielerinnen und Spielern für solche Fälle auch die Option geben, die grafische Darstellung so bearbeiten zu können, wie sie am besten damit klarkommen. Jedenfalls bleiben derzeit nur zwei technisch äußerst unbefriedigende Lösungen eines ansonsten tollen Spiels über. Wer früh kauft, wird abgestraft, auf Patches muss man hoffen. Schade.

Noch schlechter

Wer nun die Hoffnung hegt, dass sich diese Probleme mit einem PC lösen lassen, liegt weit daneben. Dort geht der Jedi nämlich endgültig in die Knie. Die Baustellen einer weit, weit entfernten Galaxis könnten vielfältiger nicht sein: PC-Spieler sind sauer wegen massiver Probleme, die von langen Ladezeiten über schlechte Performance bis hin zu Abstürzen reichen. Ein klarer Übeltäter lässt sich über die unzähligen Konfigurationsmöglichkeiten hinweg nicht ausmachen, mal soll es an der Grafikkarte scheitern, mal am Prozessor – und das, obwohl beides meist weit über den Mindestanforderungen liegt.

Entwickler Respawn reagierte eigenartig, indem man sich zwar entschuldigte, aber gleichzeitig Öl ins Feuer goss. "Für die folgenden Wochen" wurden Fixes versprochen, die Spielerinnen und Spieler sind aber nach wie vor sauer. Das spiegelt sich in den schlechten User-Wertungen wider, die beispielsweise auf Metacritic zu sehen sind. Die PC-Version erreicht gerade einmal 2.1 von zehn möglichen Punkten, am besten schneidet noch die Playstation-Version mit durchschnittlichen 5.2 Punkten ab.

Kein Einzelfall

Leider ist "Star Wars: Jedi Survivor" kein Einzelfall. Man muss nicht weit zurückschauen, um ähnliche Probleme bei anderen Titeln vorzufinden. "Resident Evil 4 Remake", an sich eine exzellente Neuauflage des Survival-Meilensteins aus dem Jahr 2005, hatte zum Start auch mit technischen Unzulänglichkeiten zu kämpfen. Nach einer Serie gelungener PC-Ports ist selbst Sony mit "The Last of Us Part I" ins Fettnäpfchen getreten und sorgte mit einer katastrophalen Umsetzung des Playstation-Klassikers für Aufsehen.

Egal ob von Day-One-Patch, Fix oder sonstigen Reparaturen betroffen: Die Beispiele unfertiger Spiele lässt sich beliebig fortsetzen. "Redfall", "Forspoken", "Wo Long" oder "Wild Hearts" sind nur ein paar jüngere Beispiele, die zum Start alle mit Problemen kämpfen mussten. Ein Ende scheint leider nicht absehbar.

Echte Betas und Early Access, bitte

Auch wenn technische Probleme den Spielfluss stören und Gamer zur Weißglut treiben, ist es einleuchtend, dass Fehler passieren können, wenn man als Entwickler zu einem bestimmten Stichtag X abliefern muss. Bei allem Verständnis für Crunch-Time und strukturelle Probleme vieler Games-Studios wäre es mitunter aber vielleicht angebracht, öffentliche Betatests vor großen Veröffentlichungen durchzuführen, um solche Probleme zu vermeiden. Gerade bei großen Produktionen ist die Schmerzgrenze erreicht.

Blizzard – wenngleich im Allgemeinen nicht ganz unumstritten – könnte mit "Diablo 4" beispielsweise und gerade für die PC-Plattform zeigen, wie man es richtig macht. Insgesamt drei Betarunden soll es bis zum Release am 6. Juni geben, um die PC-Hardware der Interessenten dafür abzuklopfen. Garantie für einen makellosen Start gibt es freilich keine, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, so die gröbsten Fehler im Vorfeld beiseiteschaffen zu können.

Und wenn man als Spielestudio nicht in derartige Vorleistung gehen kann, sollte die Branche vielleicht andenken, Early-Access-Programme auszuweiten, die über Plattformen wie Steam hinausgehen – und der Spielerschaft auch auf Konsolen ermöglichen, für einen günstigeren Preis der finalen Software das Versuchskaninchen zu spielen – vor der Veröffentlichung. Zum Vollpreis habe ich in Zukunft jedenfalls keine Lust mehr, mich in unfertige Galaxien zu stürzen. So weit kann mich nicht einmal Disney bringen. (Benjamin Brandtner, 5.5.2023)