Wahlkampfberichterstattung vor Ort: Arizonas demokratischer Senator Mark Kelly im Gespräch mit STANDARD-Korrespondent Karl Doemens.
Foto: Karl Doemens

Im Transparenzblog "So sind wir" berichtet die STANDARD-Redaktion über die eigene Arbeitsweise. Nach welchen medienethischen Grundregeln handeln wir? Aus welchen Fehlern lernen wir? Wir machen unsere Selbstreflexion öffentlich.

Das Weltgeschehen hat beim STANDARD traditionell einen hohen Stellenwert, wie also vermitteln wir Ihnen ein Bild dessen, was im Rest der Welt passiert? Wie ist unser Modus Operandi, wie betreiben wir unsere Auslandsberichterstattung, wie können Sie uns vertrauen, dass auch hier die hohen Standards des STANDARD angesetzt werden?

Eigenaufbringung versus Fremdaufbringung

Wie auch in den anderen Ressorts lässt sich unser News Gathering & Reporting im Ressort Außenpolitik/International – das Sammeln, Erkennen, Bewerten von Nachrichten – ganz grob in die Kategorien "Eigenaufbringung" und "Fremdaufbringung" einteilen. Letztere bedeutet: Wir bekommen und verwerten Informationen aus dritten Quellen; das können Meldungen aus Nachrichtenagenturen, Presseaussendungen oder Ähnlichem sein. Also alles, was uns zugetragen wird. Diese Informationen dienen dazu, den Überblick bewahren, "in the loop" – also auf dem Laufenden – zu bleiben; sie werden in der Regel nicht unbearbeitet übernommen und jedenfalls gegengecheckt. Das ist vor allem dort notwendig, wo der Kommunikator oder die Kommunikatorin selbst nicht als unabhängige Quelle betrachtet werden kann oder soll – also zum Beispiel Parteien, deren Vorfeldorganisationen, Regierungen etc.

Die wesentliche redaktionell-journalistische Arbeit erfolgt im Ressort Außenpolitik/International aber vor allem im Bereich der "Eigenaufbringung" – dort, wo wir uns Informationen welcher Art auch immer nicht mit anderen österreichischen Medien teilen (wollen). Einen Teil dieser Arbeit können die Redakteurinnen und Redakteure von der Stammredaktion in Wien aus erledigen.

Rund 40 STANDARD-"Korris" weltweit

Ein besonderes Asset des STANDARD ist allerdings dessen großes Team an Korrespondentinnen und Korrespondenten in der ganzen Welt. Rund 40 an der Zahl, berichten sie – teils sehr regelmäßig, teils nur punktuell anlassbezogen – von relevanten Entwicklungen in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich.

Ob Birgit Baumann in Berlin, Thomas Mayer in Brüssel, Maria Sterkl in Jerusalem, Stefan Brändle in Paris, Adelheid Wölfl in Sarajevo, Sebastian Borger in London, Sandra Weiss in Puebla, Karl Doemens in Washington, Sarah Mersch in Tunis oder Reiner Wandler in Madrid … Sie und alle weiteren "Korris" sind unsere – und Ihre – Augen und Ohren in der Welt. Mit vielen von ihnen stehen wir wöchentlich oder gar täglich in Kontakt. Wir besprechen Themen, entwickeln Storys. Wir binden sie in unsere Blattplanung ein, besprechen, in welcher Form ein Thema am besten "auf den Boden" gebracht werden kann: Interview? Feature? Kommentar?

So sehr wir es uns auch wünschen würden: Die meisten dieser exzellenten Expertinnen und Experten können wir nicht exklusiv an den STANDARD binden, das hat vor allem budgetäre Gründe. Einigen können wir ein monatliches Fixum bieten, die meisten erhalten ihr Honorar in Abhängigkeit von Anzahl und Länge ihrer bei uns veröffentlichten Geschichten.

Daher ist es internationaler Usus bei Medien unserer Größe, sich die Korrespondentinnen und Korrespondenten mit anderen Verlagen zu "teilen". So schreiben Dominik Straub (Rom), Martin Fritz (Tokio), Daniela Prugger (Kiew) und etliche andere mitunter auch für deutsche, Schweizer oder Südtiroler (nicht aber für andere österreichische) Medien, und alle haben etwas davon: Wir können ein großes Netz an Autorinnen und Autoren spannen, und sie selbst haben für ihre Arbeit zumeist mehr als nur einen Abnehmer und können von ihrem Job auch tatsächlich leben.

Individuelle und doch einheitliche Arbeitsweisen

Können wir – die Wiener Stammredaktion und Sie, die Leserinnen und Leser – darauf vertrauen, dass die Texte unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem entsprechen, wofür der STANDARD steht? Wir sind sicher, dass dem so ist. Sie alle sind langjährige Profis; sie alle kennen den STANDARD und seine Bedürfnisse, Ansprüche und Arbeitsweise schon seit Jahren; sie alle sind immer extrem kooperativ, arbeiten sehr gut unter Zeitdruck (das müssen wir alle, nicht wahr?) und sind für Feedback empfänglich; sie alle sind in der Lage, die Ereignisse in "ihren" Ländern mit "österreichischen" Augen zu sehen und gegebenenfalls das notwendige Verständniswissen herzustellen.

Und wie kommen sie zu ihren Storys? Das ist individuell sehr unterschiedlich, eines ist aber allen gemeinsam: Sie bereisen regelmäßig "ihre" Region. Das kann etwa im Fall von Johannes Dieterich, dessen Homebase im südafrikanischen Johannesburg ist, zu immensen Distanzen führen: Für eine Reportage aus Äthiopien sind sofort und ohne Amts- und Umwege über 4.000 Kilometer fällig – und zwar one way. Natürlich kommt es auch in einem solchen Fall zur Kostenteilung mit unseren Partnermedien. Und wenn eine Reise zum Beispiel auf Einladung einer NGO erfolgt, so wird das aus dem Text jedenfalls deutlich.

Keine Story ist die Gefährdung des eigenen Lebens wert

Natürlich sind nicht nur wir, sondern auch unsere Kolleginnen und Kollegen im Ausland ihren jeweils lokalen politischen Interessenlagen ausgesetzt, und bekanntlich herrschen nicht überall vorbildliche menschen- und medienrechtliche Gegebenheiten. Nicht überall ist es möglich, sich gefahrlos im Land zu bewegen und journalistisch zu recherchieren. Daniela Prugger, Klaus Stimeder und Denis Trubetskoy haben es in der Ukraine schon seit Monaten mit teils lebensgefährdenden Situationen zu tun; Jo Angerer muss in Russland auf die besondere rechtliche Lage Rücksicht nehmen, wenn er über die "russische Spezialoperation" im Nachbarland berichtet. Für sie gilt – wie für alle anderen auch: Kein sinnloses Risiko eingehen, keine Story rechtfertigt eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der persönlichen Sicherheit. Egal, ob es sich um Korrespondenten "da draußen" oder um Mitarbeiterinnen aus der Wiener Redaktion handelt. (Gianluca Wallisch, 16.11.2022)