Foto: From Software/Bandai Namco

Auch wenn der Pile of Shame bei so manchem Gamer bereits ungeahnte Höhen erreicht: Der Strom spielenswerter Neuerscheinungen ist dadurch heuer freilich nicht unterbrochen worden. Das Jahr 2022 kann zwar nicht mit legendären Jahrgängen wie dem von 2017 mithalten, aber den einen oder anderen Klassiker kann man jetzt schon ausmachen. DER STANDARD hat in den populärsten Genres jeweils ein klares Highlight ausgewählt, starke Mitbewerber im Rennen aber nicht unerwähnt gelassen.

Zwei Trends sind für 2022 vorab vielleicht schon herauszustreichen: Zum einen können Indies heuer ein besonders starkes Rufzeichen setzen und sind unter den Erwähnungen gut vertreten. "Vampire Survivors" kann definitiv als Überraschungshit des Jahres bezeichnet werden, aber auch "Dwarf Fortress" und "The Case of the Golden Idol" brauchen sich nicht zu verstecken. Zum anderen kann das heurige Jahr durchaus als Jahr der Action-Adventures für die Playstation 5 durchgehen. Mit "Elden Ring", "God of War: Ragnarök" und "Horizon Forbidden West" waren gleich drei Hochkaräter am Start, zwei davon exklusiv für die Konsole von Sony.

Für Abenteuerlustige

BANDAI NAMCO Europe

Nicht umsonst ist "Elden Ring" von unzähligen Stimmen in der Fachpresse zum Spiel des Jahres erkoren worden. Entwickler From Software ist ein wahrer Meilenstein mit dem erfolgreichen Versuch gelungen, die knallharte und packende Gameplay-Formel von "Dark Souls" nahezu nahtlos auf eine komplett offene Spielwelt zu übertragen. Mit einem geschichtlichen Unterbau von "Game of Thrones"-Autor George R. R. Martin wurde ein Mammutwerk auf Schiene gebracht, an dem sich nachfolgende Genrevertreter noch in den kommenden Jahren messen lassen müssen.

Zwei weitere Schmankerln in dieser Kategorie sind exklusiv Playstation-5-Besitzern vorbehalten: Der neueste Teil von "God of War", aber auch die Fortsetzung von Aloys Endzeit-Märchen "Horizon Forbidden West" konnten in vielerlei Hinsicht überzeugen. Etwas außergewöhnlicher ist schon das Abenteuer des kleinen Fuchses aus "Tunic", das nicht selten an eine Spielart älterer "Zelda"-Titel erinnerte. Wer auch beim Spielen nicht genug bekommt von Cat-Content, lag mit "Stray" goldrichtig.

Action, Action, Action

poncle

"Nur noch eine Runde" sind jene berühmten Worte, die gewöhnliche Spiele oft von einem echten Hit trennen. "Vampire Survivors" zählt definitiv zu letzterer Sorte, ist aber auch noch aus anderer Perspektive erwähnenswert: Der knallharte Actiontitel, bei dem man sich mit einer Vielzahl von Waffenkombinationen für eine bestimmte Zeit am Leben halten muss, wurde von einer einzigen Person entwickelt und kostet auf der PC-Spieleplattform Steam gerade einmal vier Euro. Noch Fragen?

Wenn es um knallharte Action geht, darf heuer auch der stylishe Martial-Arts-Titel "Sifu" nicht unerwähnt bleiben, der mit einem alternden Hauptcharakter einen besonderen Twist in die Spielmechanik bringt. Nach langem Warten ist auch "Bayonetta 3" endlich eingeschlagen, aber leider nur für die technisch brutal alternde Nintendo Switch. Nostalgiker auf allen Plattformen zelebrierten dafür mit einem Stück Pizza und "Teenage Mutant Ninja Turtles: Shredder Revenge" das Revival einer Beat-'Em-Up-Legende, wahlweise sogar wie in damaligen Arcade-Zeiten im Koop-Modus.

Rollenspiel: Von bayrisch bis japanisch

Obsidian Entertainment

Dass Obsidian Entertainment für gute Geschichten bekannt ist, dürfte kein Geheimnis sein. Nach der Genre-Größe "Pillars of Eternity" veröffentlichte der Entwickler erst vor kurzem mit "Pentiment" einen ungewöhnlichen Vertreter des Rollenspiels, mit dem man nicht so schnell gerechnet hätte: Vor den Augen des Spielers entfaltet sich eine bemerkenswerte Detektivgeschichte, die im Bayern des 16. Jahrhunderts angesiedelt ist und mit dutzenden Entscheidungen nicht nur über das Schicksal eines Dorfes entscheidet, sondern auch charmant den Zeitgeist einfängt. Auch die visuelle Darbietung, die an Bücher aus der damaligen Zeit erinnern soll, macht "Pentiment" zu einem außergewöhnlichen Titel.

Im weitaus klassischeren Stil gehaltene Rollenspiele waren "Xenoblade Chronicles 3" und "Live a Live". Während Ersteres mit wilden Plots und einer Spielzeit von mehr als 150 Stunden auf sich aufmerksam machen konnte, belebte "Live a Live" das traditionelle japanische Rollenspiel aus den 1990er-Jahren im bezaubernden Grafikstil von "Octopath Traveler" wieder. Spricht man von einem perfekten JRPG, dann ist "Persona 5" nicht weit entfernt. In einer besonderen "Royal"-Edition ist es seit Oktober auch in einer erweiterten Fassung für Next-Gen-Systeme verfügbar. Durchaus auch einen Blick wert ist "Marvel's Midnight Suns": Das taktische Rollenspiel des "Xcom"-Entwicklers Firaxis punktet nicht nur mit Superhelden-Lizenz, sondern auch mit gelungenen Deckbuilding-Elementen.

Total abgefahren

PlayStation DACH

Wer mittlerweile eine Playstation 5 ergattern konnte und Autofan ist, wird an "Gran Turismo 7" nicht vorbeikommen. Der Exklusivtitel von Sony hatte in der Kategorie Racing heuer aber besonders leichtes Spiel, sich an die Spitze zu setzen, weil Konkurrent "Forza" von Microsoft ausgesetzt hat. Das Sammelspiel unter den Racern hat den Platz an der Sonne verdient, nicht zuletzt wegen eines atemberaubenden Fahrgefühls.

Deutlich mehr Underground-Charme hat das überraschend schnell im Rückspiegel aufgetauchte neue "Need for Speed". Illegale Straßenrennen, Verfolgungsjagden mit der Polizei und eine sehr bunte comicartige Inszenierung verleihen "Unbound" in einer offenen Spielwelt einen Arcade-lastigeren und ausgefalleneren Auftritt. Sehr sportlich aufgezogen hingegen der letzte Rallye-Titel von Nacon: Mit "WRC Generations" verabschiedet man sich würdevoll von der offiziellen Rallye-Lizenz, bevor auch sie ab nächstem Jahr an Publisher Electronic Arts geht.

Erst schießen, dann fragen

Call of Duty

Platzhirsch "Call of Duty" konnte mit "Modern Warfare 2" heuer wieder bei den Shootern unter Beweis stellen, wo die Knarre hängt. Eine gelungen inszenierte Kampagne ist das schmückende Beiwerk des eigentlichen Showstoppers: Der umfangreiche Multiplayer, zu dem auch das erfolgreiche "Warzone 2.0" zählt, punktet mit sinnvollen Überarbeitungen und vielen guten Maps.

Deutlich postapokalyptischer ging es zu Jahresbeginn in "Dying Light 2" zu, wo das Auflockern der normalen Shooter-Mechanik durch lockere Parkour-Elemente zu gefallen wusste. Von Startschwierigkeiten und Onlineproblemen abgesehen konnte auch "Warhammer 40.000: Darktide" überzeugen.

Rätseln mit der Maus

PlayStation

Auch wenn man es sich vielleicht anders vorgestellt hat, das Comeback von Guybrush Threepwood ist geglückt, und "Return to Monkey Island" war im September ein voller Erfolg – nicht nur weil das Wiedersehen mit alten Freunden eine Freude war. Entwickler Ron Gilbert stellte mit der Fortsetzung des Klassikers unter Beweis, wie man "Point and Click"-Rätselkost modern umsetzen kann.

Nicht ganz so prestigeträchtig, aber ebenfalls großartig umgesetzt wurde "The Case of the Golden Idol". In außergewöhnlicher Pixeloptik schlüpft der Spieler in die Rolle eines Detektivs und muss zwölf Morde über einen Zeitraum von 40 Jahren aufklären. Überraschende Wendungen in einer nonlinearen Handlung inklusive.

Von langer Hand geplant

Kitfox Games

Eigentlich gibt es das Spiel schon seit mehr als 20 Jahren, und es diente als Inspiration für "Minecraft". Seit Anfang Dezember gibt es "Dwarf Fortress" aber auch für Steam. Was bislang optisch mit einem ASCII-Modus auskommen musste, ist nun in einer grafisch ansprechenderen Version verfügbar. Die Spieler werden in "Dwarf Fortress" tief unter Tage geschickt, um in einer hochkomplexen Simulation eine Zwergenkolonie zu gründen. Die Besonderheit: Bei jedem Spieldurchgang werden ganze Zivilisationen und ihre Hintergrundgeschichten neu generiert.

Wenn es um Simulationen geht, sollte auch der vermutlich skurrilste Vertreter im heurigen Jahr nicht unerwähnt bleiben. "Goat Simulator 3" ist mit seiner Parodie auf andere Spiele so absurd, dass es wieder Spaß macht, Zeit damit zu verschwenden. Simulation lässt sich aber auch entspannt angehen: Die Portierung von "Dorfromantik" für die Switch stellte im September unter Beweis, dass die simple Spielidee für das Aneinanderreihen von Karten besonders für unterwegs gut geeignet ist.

Für jedes Alter

Warner Bros. Games

Ein besonderes Highlight für die ganze Familie erschien im April mit einem gewaltigen Bundle zu "Lego Star Wars": Nicht weniger als alle neun Teile der "Skywalker Saga" sind in jeweils sechs Episoden auf gewohnt humorvolle und charmante Weise zu spielen. Das einfache Spielprinzip lädt dazu ein, dass auch Familienmitglieder oder Freunde jedes Alters mitspielen können, die vielleicht sonst nicht so viel damit am Hut haben.

Wer es heuer ein wenig komplexer, aber mindestens genauso lustig haben wollte, konnte sich im Oktober an der Fortsetzung des Taktikspiels "Mario + Rabbids: Sparks of Hope" versuchen. Auch der Mix aus beliebten Nintendo-Charakteren und den ulkigen Ubisoft-Karnickel entpuppt dank Koop-Modus und kindlicher Inszenierung als besonders familientauglich. (Benjamin Brandtner, 27.12.2022)