Es ist so weit, den Gruß aus der Küche gibt es seit mehr als zehn Jahren: Er ist am 30. Oktober 2011 zum ersten Mal erschienen, mit einer Geschichte über Alain Ducasses Methode, ein Steak auf niedriger, nicht hoher Hitze zuzubereiten.
Ich habe daher die Menschen vom STANDARD um eine kleine Statistik (Fußnote) und Auswertung der vergangenen zehn Jahre gebeten – was hat die werten Leserinnen und Leser am meisten interessiert, was weniger? Zunächst einmal der am wenigsten gelesene Blogeintrag alle Zeiten:
Wirklich sehr frische Ziegenleberspieße
Zugegeben, das ist ein Nischenthema. Ein bisschen erstaunt bin ich trotzdem, bei der starken Nischenkonkurrenz wie etwa Maismüll und grüne Tomaten oder die Vermessung des Hühnerfußes.
Es war der dritte Blogeintrag, der je erschienen ist, und eher eine Notlösung. Ich war in Marokko und mir noch nicht bewusst, was es arbeitstechnisch heißt, jede Woche (so war das damals) eine Geschichte abzuliefern. Es war Schlachtfest, wir hatten hervorragend gegessen, es gab einen Ziegenleberblog. Ich bereue nichts und denke heute noch gern an den Nachmittag und die Spieße zurück.
Die Top 20 haben mich (bis auf die Nummer eins!) nicht sehr überrascht. Die Reihenfolge variiert ein bissl, je nachdem, ob man Klicks oder Verweildauer betrachtet, aber es sind doch immer die gleichen Blogs dabei. Die perfekte Palatschinke ist da ganz vorn dabei, der Käse-Schinken-Käse-Schinken-Käse-Toast, das einfachste Pastarezept der Welt (sowie ein paar weitere Pasta-Geschichten), Pizza, Schnitzel, Käsknöpfle. Auf den unteren Rängen finden sich dann doch noch zwei harmlose Exoten: gebratener Reis und das Jain-Menü.
Der Überraschungssieger und erfolgreichste Blog aller Zeiten war:
Der Parasol – viel zu schade fürs Panieren
Er hat sowohl die meisten Zugriffe als auch die längste Verweildauer, und zwar mit Weile: etwa 30 Prozent mehr Verweildauer, dreimal (!) so viele Zugriffe wie die jeweilige Nummer zwei. Eine Panierbeschimpfung am Nationalfeiertag (reiner Zufall, ich schwöre) scheint Menschen wirklich zu interessieren, selbst wenn so ungewöhnlich Dinge wie Waldpilze involviert sind.
Die meisten Postings hat die Foie-Gras-Geschichte bekommen (und wenn man die Ergänzung dazu zählt, die ein paar Stunden später als Reaktion auf den Shitstorm online ging, sogar mit ziemlichem Abstand). Ich finde das schade, weil ich Foie-Gras-Bashing für die vielleicht größte Scheinheiligkeit des an Scheinheiligkeiten besonders reichen Themas Ernährung halte. Die restlichen Top 20 sind aber erfreulich frei von Veganer-versus-Fleischesser-Beflegelungen. Meistdiskutiert waren die Palatschinken, das Wiener Schnitzel im Automat Welt, der Parasol und der KSKSK-Toast.
Kochen, Essen, Freunde
Abgesehen von vielen, vielen Essen und kulinarischen Bereicherungen verdanke ich dem Blog zahlreiche Freundschaften, weil ich für ihn mit lieben Menschen gekocht und gegessen habe: etwa mit Max Stiegl (Die Schnepfe und ihr Dreck), Christoph Fink (Das Schaf zum Pudding machen) und den Gebrüdern S. (Vom Genuss abgelaufener Dosensardinen und zu viele weitere Blogs, um sie alle zu verlinken).
Und er war ständiger Begleiter auf und bis zu einem gewissen Grad eine Rechtfertigung für mehrere China-Reisen, die kulinarisch wahrscheinlich meine prägendsten Erlebnisse waren. Daher hier zum Schluss noch eine kleine, unvollständige und willkürlich gereihte Auswahl meiner persönlichen Favoriten:
- Frische Pasta, gebratener Reis, Gurken gären und das No-Knead-Brot: die Blogrezepte, die ich wahrscheinlich am öftesten gemacht habe.
- Cevapi Crawl durch Ottakring: Ich finde immer noch, dass Balkan- und türkische Küche sträflich unterrepräsentiert ist im Kulinarikjournalismus.
- Ingwermilchpudding: das vielleicht einzige Blogrezept, das zu sensorischen Tests und einer Diplomarbeit auf der Boku (über das Gerinnungsenzym im Ingwer) geführt hat.
- Wie man ein Wildschwein in einem Erdloch kocht: der vielleicht aufwendigste Blog aller Zeiten und der Beginn meiner Karriere als Erdlochkochexperte, die in einem Erdlochkochkurs gegipfelt ist. Mittlerweile stehe ich nur noch in Ausnahmefällen dafür zur Verfügung.
- Von den Chinesen essen lernen: Wie ein Poster angemerkt hat, mal was anderes. Folgt hoffentlich bald mit den Italienern.
- Blutkuchen, Schimmeltofu und sehr frischer Fisch: meine erste Begegnung mit China.
- Ente gepökelt, geräuchert, gedämpft, frittiert: macht man nicht alle Tage.
- Schweinsfüße Pierre Koffmann: sollte man viel öfter machen.
- Die perfekte Palatschinke: hat großen Spaß gemacht, und die Art von Text könnte ein Modell für sehr viele andere Gerichte sein.
- Luis macht morgen Mole: Während die Mole geköchelt hat, habe ich meine Frau kennengelernt. So was verbindet, auch mit einem Text.
Mittlerweile gibt es den Gruß aus der Küche auch als Newsletter. Neben kleinen ergänzenden Geschichten und Rezepten antworte ich dort auch jedes Mal auf die interessantesten Kommentare unter den Texten hier.
Hier anmelden: grussausderkueche.substack.com
(Tobias Müller, 31.10.2021)
Fußnote: Ein paar Worte zur Statistik: Was erfolgreich ist und was nicht, lässt sich gar nicht so einfach sagen. Erstens hat sich die Zählart geändert – als ich hier zu bloggen begonnen habe, galten Klicks/Zugriffe als das Maß aller Dinge, mittlerweile ist es die Verweildauer geworden. Und zweitens ist die Onlinestandard-Leserschaft mit den Jahren stets gewachsen. Zahlen zu Blogs von 2011 mit solchen von 2021 zu vergleichen ist daher nur bedingt aussagekräftig. Ein grobes Bild ergibt sich aber trotzdem.