Anfang Oktober 2019: Der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zieht sich aus der Politik zurück, ein Pflichttermin für Medien-Fotografinnen und -Fotografen.

Foto: Matthias Cremer

Im Transparenzblog "So sind wir" berichtet die STANDARD-Redaktion über die eigene Arbeitsweise. Nach welchen medienethischen Grundregeln handeln wir? Aus welchen Fehlern lernen wir? Wir machen unsere Selbstreflexion öffentlich.

Bis zu 15.000 Fotos. Das ist, grob gerechnet, das tägliche Pensum des STANDARD-Fototeams. Bis zu 15.000 Bilder schauen wir uns an einem Arbeitstag an, um die besten, die wahrhaftigsten und die vertrauenswürdigsten für die vielen Berichte, Analysen, Reportagen, Features und Kommentare von STANDARD-Redakteurinnen und -Redakteuren zu finden. Für uns, zwei Fotoredakteure und eine Fotoredakteurin, geht es darum, die Geschichten unserer Kolleginnen und Kollegen für Sie, unsere Leserinnen und Leser, noch besser verständlich, eindrücklicher und glaubwürdiger zu machen.

Menschen halten für verlässlich, was sie mit eigenen Augen sehen. Als wirklich, als wahr gilt, was man wahrnehmen kann. Das ist richtig und falsch zugleich: Denn alle Fotos, die in Medien erscheinen, sind immer nur Ausschnitte der Wirklichkeit. Im Auge der Betrachterin und des Betrachters schafft ein Bild immer den Eindruck von Unmittelbarkeit – blendet aber gleichzeitig den Einfluss von Fotografin und Bildredakteur auf das Bild aus.

Bildethik wichtig

Aus diesen Gründen ist Bildethik bei der Auswahl von Fotos sehr wichtig. Die Standards des Presserats, die für Wort und Schrift gelten, tun dies auch für Bilder: Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die "wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit" sind oberste Gebote.

Auch die rechtliche Komponente gilt es zu bedenken: Ist die Quelle seriös, ist sie unabhängig? Das ist, vor allem bei unübersichtlichen Lagen, etwa im Kriegsfall, nicht immer ganz leicht festzustellen. Gerade mit Fotos wird, aus den genannten Gründen, von Kriegsparteien oft Propaganda in eigener Sache betrieben. Wir stützen uns hier stark auf die Arbeit seriöser Fotoagenturen. Tritt allerdings der seltene Fall ein, dass uns Agenturen ein Bild aus einer ungesicherten Quelle zur Verfügung stellen, dann weisen wir dies klar aus und publizieren das Foto nur, wenn es aus Gründen der Informationspflicht nicht anders möglich ist.

Keine einfachen Regeln

Es gibt keine einfachen Regeln für gute Bilder – aber einige Parameter, die für die Wahrnehmung entscheidend sind. Gute Bilder müssen entweder emotional berühren – oder irritieren, damit das Auge des Betrachters hängenbleibt. Das ist auch für den dazugehörenden Text wichtig: Bei einem langweiligen Bild haben die Leserinnen und Leser sehr rasch das Gefühl, den Text schon zu kennen – selbst wenn der Inhalt neu ist. Ob man einem Foto vertrauen kann oder nicht, hat auch viel mit Erfahrung zu tun. Sicher kann man nie sein, denn Fotografie ist immer subjektiv.

Selbst Fotos, die wir bei unseren (Stamm-)Fotografinnen und Fotografen in Auftrag geben, werden aus ihrem subjektiven Blickwinkel aufgenommen. Das heißt nicht, dass an dem Foto etwas nicht stimmt – aber es ist eben ein Ausschnitt von Realität.

Bei der täglichen Bildauswahl wird um jedes einzelne Foto gerungen und gekämpft – in Print genauso wie online. Jedes Foto muss für sich überprüft und in seiner Aussagekraft und seinem Wahrheitsgehalt bewertet werden.

Ein paar Regeln, an die wir uns stets halten, im Detail:

  • Wir bemühen uns grundsätzlich, keine PR-Fotos zu bringen – also etwa Handouts des Bundeskanzleramts, wie dies etwa unter Kanzler Sebastian Kurz häufig angeboten wurde. Sollten wir sie doch zeigen, dann deshalb, weil das Handout für sich eine Geschichte ist oder zur Erklärung des dazugehörenden Textes notwendig ist. In jedem Fall weisen wir die Quelle aus.
  • Wir machen bei Pressefotos keine inhaltlichen Korrekturen, korrigieren keine Gesichter, Figuren etc. Werden Collagen, zum Beispiel für die Agenda am Wochenende oder die Spezialausgaben, gemacht, dann sind diese immer klar erkenntlich und im Bildcredit benannt. Technische Korrekturen sind erlaubt, etwa aufhellen, den Kontrast von Farben verstärken oder Farbigkeit für den Printdruck intensivieren.
  • Wir erweisen Toten Respekt, indem wir sie tunlichst nicht zeigen. Selbst bei den im Ukraine-Krieg entdeckten Massengräbern, die wir aus Dokumentationsgründen zeigen wollten, achteten wir auf hohe Diskretion: keine Nahaufnahmen, die Ermordeten zeigten wir verhüllt und aus der Ferne. In den meisten Fällen bilden wir Ereignisse, bei denen Menschen zu Tode gekommen sind, über Bilder von Trauernden ab.
  • Wir zeigen keine schwerverletzten Personen – außer in begründeten Ausnahmefällen. Etwa wenn ein Ereignis so brutal und außergewöhnlich ist, dass wir glauben, es den Leserinnen und Lesern zeigen zu müssen. Solche Ausnahmen werden in der Redaktionskonferenz freilich stets breit diskutiert.
  • Wir schützen die Persönlichkeitsrechte von Privatpersonen – und verpixeln, wenn notwendig, Gesichter von Personen, die mit dem Gegenstand unserer Berichterstattung nichts zu tun haben und zufällig auf einem Foto sind.
  • Wir sind im Zweifelsfall eher vorsichtig und zeigen ein Foto nicht, wenn wir unsicher sind bezüglich der Quelle, der Aussage des Fotos und des Kontexts.

Fehler können uns natürlich trotzdem passieren. Daher appellieren wir an die Kompetenz unserer Leserinnen und Leser: Vertrauen Sie uns bitte, aber machen Sie sich immer auch Ihr eigenes Bild – und hinterfragen Sie stets, was Sie sehen. (Frank Robert, 23.11.2022)